Bühne

„Distel“: Wenn die Wohnungsmisere ins Kabarett kommt

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Ulrike Borowczyk
In Hochform: Lutz (Boris Leibold, l.) und Marco (Rüdiger Rudolph).

In Hochform: Lutz (Boris Leibold, l.) und Marco (Rüdiger Rudolph).

Foto: Chris Gonz

Mit „Deutschland sucht den Supermieter“ widmet sich Autor Matthias Lienenlüke erneut der desolaten Lage auf dem Immobilienmarkt

Egal, wie hoch der Einsatz ist, Sabine ist bereit dazu. Mürbe von der Suche nach einem WG-Zimmer in Berlin, hat sie sogar mit dem Typen von der Anzeigenabteilung geschlafen, um sich einen 24-Stunden-Vorteil vor allen anderen zu verschaffen. Jetzt nur noch vom Dach abseilen und rein in die schnieke Eigentumswohnung von Marco Hilpers. Dass er sie als Mieterin verschmäht, liegt nicht an ihrer 007-Actioneinlage. Sie durchschaut den Schnösel zu leicht. Doch der mag es überhaupt nicht, als reicher Filius geoutet zu werden, der trotz dicken Schecks von Papi dauerpleite ist. Der ein Zimmer annoncieren muss, weil sein Lebenswandel zu teuer ist. Dumm nur, dass Lutz in dem Zimmer wohnt, ohne einen Cent Miete zu zahlen. Er ist halt ein antikapitalistischer Künstler. Irgendwie nach einer Party hängen geblieben. Ausziehen kommt für ihn partout nicht in Frage. Aber mit der Zahl der Bewerber steigt der Druck auf ihn.

Armin Laschet im Glitzeroutfit

Nach „Zwei Zimmer, Küche: Staat!“ 2017 widmet sich Kabarettautor Thomas Lienenlüke mit „Deutschland sucht den Supermieter“ nun ein zweites Mal der Wohnungsmisere hierzulande. Zur Premiere im Kabarett-Theater Distel jetzt von Regisseur Dominik Paetzoldt gewohnt rasant und mit perfektem Timing für Pointen inszeniert. Die Konstellation vom reichen Marco, der grün lebt, weil er es sich leisten kann, und dem politisch überkorrekten Schnorrer Lutz (Boris Leibold) erweist sich als wie gemacht fürs Kabarett. Damit lassen sich nicht nur politische Schattierungen aller Couleur durchdeklinieren. Plötzlich rauscht auch halb Berlin zur WG-Besichtigung an. Vom Topmanager über den Linksautonomen bis zum Spitzenpolitiker. Darunter Olaf Scholz und Robert Habeck.

Harte Landung in der Wirklichkeit

Den Anfang im Politiker-Reigen macht Armin Laschet. Der Gute-Laune-Boy der CDU. Er präsentiert seinen eigenen Relaunch als Armin 2.0 im Glitzeroutfit. Wenn es mit der Politik nicht klappt, geht er eben in die Unterhaltung, bevor er ganz dem Vergessen anheim fällt. Schunkeln liegt ihm nun mal im Blut. Von ganz anderem Kaliber ist Andrea Martens (Nancy Spiller), die Ex von Marco (Rüdiger Rudolph). Taff bis in die superblonden Haarspitzen, Lifecoach, und Selbstständige in der FDP, steht sie einerseits für Turbokapitalismus. Andererseits liest sie den beiden Maulhelden Marco und Lutz die Leviten, weil sie im wahren Leben nichts auf die Reihe bringen. Sie leisten sich ihre politisch konträren Standpunkte und das In-den-Tag-hineinleben. So lange, bis Papa Hilpers den Geldhahn zudrehen muss, weil er jahrelang Steuern hinterzogen hat. Marco fällt aus allen Wolken und landet hart auf dem Boden der Realität. Fortan schwebt ein Damoklesschwert über seinem Lebensstil und der Eigentumswohnung.

Natürlich dreht der Kabarettabend da noch mal richtig auf. Kein aktuelles Thema, das vom Trio nicht auf die Spitze getrieben wird. Es geht um soziale Gerechtigkeit, den Pflegenotstand und selbstredend um das Leben in Zeiten der Pandemie. Satirisch fulminant auf den Punkt gebracht.

Kabarett-Theater Distel, Friedrichstr. 101, Mitte, Tel. 204 47 04, 22.10. um 20 Uhr, 23.10. um 16.30 20 Uhr, 4.-6.11. um 19.30 Uhr