Berlin. Die Pressemitteilung der Volksbühne kam nur wenige Sekunden, bevor das Thema im Kulturausschuss aufgerufen wurde. Klaus Dörr, seit April 2018 als Nachfolger von Chris Dercon kommissarischer Intendant der Volksbühne, kündigte darin an, diese Tätigkeit zum Dienstag niederzulegen.
„Für die gegen mich erhobenen Vorwürfe übernehme ich als Intendant der Volksbühne Berlin die komplette Verantwortung und gebe mein Amt im Einvernehmen mit der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa auf“, erklärte Dörr. „Ich bedaure zutiefst, wenn ich Mitarbeiter:innen mit meinem Verhalten, mit Worten oder Blicken verletzt habe. Ich bedaure, dass mir nicht gelungen ist, ein offenes und diskriminierungssensibles Klima zu schaffen, das Probleme rechtzeitig erkennt und es Mitarbeiter:innen ermöglicht, sich vertraulich mit ihren Fragen, Beschwerden und ihrer Kritik an die notwendigen und vorhandenen Stellen in der Volksbühne zu wenden.“ Er stehe noch „zur Übergabe nicht abgeschlossener Projekte und Prozesse“ zur Verfügung, so Dörr. Er reagierte damit auf Vorwürfe, die durch einen Bericht der „taz“ am Wochenende öffentlich geworden waren.
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Darin hieß es, Mitarbeiterinnen von Dörr hätten sich an die 2018 gegründete Themis-Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt gewendet. Die „taz“ nannte unter anderem „enge, intime, körperliche Nähe und Berührungen, erotisierende Bemerkungen, anzügliche Witze, sexistische Sprüche, Aufforderung zum Tragen von hochhackigen Schuhen, stierende Blicke, unverhohlenes Anstarren auf die Brust, unangemessene SMS, Upskirting, also heimliches Fotografieren unter den Rock, drohende Gebärden und verbale Einschüchterungen“. In einer ersten Reaktion hatte Dörr geantwortet, er werde „in keiner Weise auf die halt- und substanzlosen Anschuldigungen eingehen“ und habe seinen Rechtsbeistand eingeschaltet.
René Pollesch wird die Intendanz am Rosa-Luxemburg-Platz übernehmen
In der Sitzung des Kulturausschusses am Montag wies Kultursenator Klaus Lederer (Linke) darauf hin, dass die Untersuchungen mit der Demission Dörrs nicht abgeschlossen seien. Die Themis-Vertrauensstelle habe am 18. Januar die Beschwerde der Frauen, die um Anonymität gebeten hätten, an die Senatskulturverwaltung weitergeleitet. Diese habe daraufhin mit entsprechenden Untersuchungen und Gesprächen begonnen. Lederer widersprach der Darstellung, wonach er bereits 2018 von einer ehemaligen Mitarbeiterin Dörrs über dessen Führungsstil unterrichtet und vorgewarnt worden sei. Ihm seien zwar entsprechende Gerüchte darüber zu Ohren gekommen, sagte Lederer. Für Maßnahmen brauche es aber konkrete Hinweise, die es zum damaligen Zeitpunkt nicht gegeben habe.
Bereits am Montagvormittag hatten Organisationen aus dem Theaterbereich sowie Dramaturginnen, Autorinnen, Regisseurinnen und Schauspielerinnen mit einer Petition den Rücktritt von Klaus Dörr gefordert. „Wir glauben den betroffenen Frauen und stellen ihre Aussagen nicht in Frage“, schrieben sie.
Im Sommer wird der Dramatiker und Regisseur René Pollesch die Intendanz am Rosa-Luxemburg-Platz übernehmen.