Interview

Wie Helena Zengel Tom Hanks das Reiten beibrachte

| Lesedauer: 11 Minuten
Tom Hanks hat ihr beim Drehen viel beigebracht, sie konnte sich aber auch ein bisschen revanchieren:  Helena Zengel.

Tom Hanks hat ihr beim Drehen viel beigebracht, sie konnte sich aber auch ein bisschen revanchieren: Helena Zengel.

Foto: Marechal Aurore/ABACA / picture alliance / abaca

Die Berlinerin Helena Zengel ist erst zwölf und schon für einen Golden Globe nominiert. Trotz des Erfolgs ist sie ganz bodenständig.

Berlin. Die ganze Welt verliebt sich gerade in diese zwölfjährige Berlinerin. Vor zwei Jahren eroberte Helena Zengel auf der Berlinale in „Systemsprenger“ die Herzen. Im vergangen Sommer wurde sie dafür mit einem New Faces Award und dem Deutschen Filmpreis als beste Schauspielerin ausgezeichnet. Nun hat sie gleich den Sprung über den großen Teich gemacht und in den USA einen Western mit Tom Hanks gedreht. „Neues aus der Welt“ läuft jetzt, wie übrigens auch „Systemsprenger“, auf Netflix. Und am 28. Februar könnte Helena Zengel dafür sogar einen Golden Globe gewinnen. Dafür wurde sie gerade nominiert. Wir haben bei ihr telefonisch nachgefragt, was das mit ihr macht. Bedenken, ihre Kindheit könnte durcheinandergeraten, zerstreut sie aber gleich. Sie hat schon Zeit für ein Gespräch, sagt sie, müsse aber gleich wieder Homeschooling machen. Sie wisse nicht, wie lange sie „available“ sei (sie sagt das wirklich so), weil immer mal wieder ein neues Zoom Meeting „reingeflogen“ kommt.

Berliner Morgenpost: Liebe Helena, Gratulation zur Golden-Globe-Nominierung. Musst du dich manchmal zwicken, wenn du an die vergangene Zeit denkst, dass das alles noch real ist?

Helena Zengel: Auf jeden Fall. Das ist alles im Moment sehr wild. Ich hätte auch nie gedacht, dass es so weit kommt. Dafür bin ich einfach unglaublich dankbar.

Wie bereitest du dich auf die Globes vor? Muss man da schon mal eine Dankesrede auf Englisch vorbereiten – für alle Fälle?

Ja. Ich erwarte da jetzt keinen Preis oder so. Aber prinzipiell ist es, glaube ich, immer gut, wenn man vorbereitet ist. Sonst käme ich mir ein bisschen doof vor. Lieber bereite ich mir so ein Knübbelchen vor, damit wann was im Kopf hat – falls es dann doch passiert. Vor dem Englischen habe ich keine Angst. Das kann ich inzwischen schon relativ gut.

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Wie bist du denn überhaupt in den Film mit Tom Hanks gekommen?

Einer der Produzenten hatte mich auf der Berlinale in „Systemsprenger“ gesehen und hat Paul Greengrass, dem Regisseur, gesagt: Du suchst doch gerade ein Mädchen. Und dann durfte ich für das Casting nach London fliegen.

Wusstest du da eigentlich schon, wer Tom Hanks war? Kennst du seine Filme?

Ja und nein. Ich kannte ihn schon so ungefähr. Aber dass er sooo ein großer Filmstar war, wusste ich nicht. Ich hab dann erst mal gegoogelt und auch Verwandte gefragt, von denen hab’ ich nur „Oooohs!“ bekommen.

Und wie ist Hanks denn so? Und wie war das, mit ihm zu drehen?

Er ist lieb, ein unglaublich lustiger Typ und definitiv ein Gentleman. Man kann unheimlich viel Spaß mit ihm haben. Auch wenn man ernste oder sehr anstrengende, kraftraubende Szenen dreht.

Hanks hat ja viel Erfahrung im Filmbusiness. Hat er dir etwas davon beigebracht?

Klar. Allein durch sein Art und sein bloßes Dasein lernt man viel. Über das Schauspiel. Und wie man sich gut schlagen kann und alles!

Und konntest du ihm auch was beibringen? Die Brocken Deutsch, die er im Film sprechen musste, hast du sie mit ihm einstudiert?

Ja. Er kann jetzt „Pflaumenkompott“ und „Mielschkaffee“ sagen. Und den wichtigen Satz: „Wo finde ich was zu essen?“, den kann er jetzt auch. Ich hab ihm auch das Reiten beigebracht. Das war ja sein erster Western. Im Reiten hatte ich was voraus.

Seid Ihr denn noch im Kontakt? Hat er dir schon gratuliert zum Globe?

Ja, sind wir. Wir schreiben uns ab und zu Emails oder SMS und schicken uns Videos und Fotos. Manchmal telefonieren wir auch. Und zum Globe hat er natürlich auch gleich angerufen, gleich als es bekannt wurde. An dem Tag gab’s überhaupt viel Unterstützung und viele Glückwünsche, über die ich mich sehr gefreut habe.

Ihr habt in der Wüste von Mexiko gedreht. Wie hast du das erlebt?

Ich war noch nie da. Aber das war total schön. Und echt krass. Entweder ist es da wahnsinnig heiß oder ganz kalt. Wir hatten Regen, Schnee und Sandsturm, wir hatten eigentlich alles. Wir waren auch gemeinsam schwimmen, mit dem ganzen Filmset. in einer Szene, die ist nicht mehr im Film, mussten wir in einem riesigen Wassertank schwimmen, den haben sie künstlich angelegt. Wir mussten so tun, als ob wir uns nicht greifen können. Da hat Tom mir Zeichen gegeben, dass wir untertauchen sollen. Alle haben gedacht, dass wir untergehen. Da standen 20 Rettungsschwimmer mit dicken Westen, die sind dann alle reingesprungen und haben ihn rausgezogen. Und er meinte nur: „Hey, Leute, das war für die Szene!“ Da waren alle nass und alle haben gelacht. Das war sehr lustig.

Wie hast du das mit der Schule gemacht wegen der Dreharbeiten?

Zum Teil war das noch in der Ferienzeit. Aber ich mache das immer so, dass ich Privatunterricht kriege oder Homeschooling mache. Von daher ist das ganz entspannt und cool. Homeschooling kannte ich also schon vor Corona. Meistens geht das auch ganz gut. Aber heute klappt das nicht so mit dem Chatroom, keine Ahnung, wieso. Klar, in die Schule gehen ist trotzdem schöner. Aber solange man seine Freunde zumindest sehen kann, geht’s.

Was sagen deine Freunde eigentlich zu deiner Filmerei? Freuen die sich mit dir, sind die womöglich sogar neidisch oder traut sich keiner mehr, mit dir zu reden?

(lacht) Nee, natürlich reden die noch mit mir. Dafür sind es doch Freunde. Die haben auch viele Fragen, und die beantworte ich auch gern. Wenn ich mir vorstelle, jemand anderer aus meiner Klasse wäre Schauspieler und nicht ich, dann würde ich auch gerne wissen, wie das so ist. Ich glaub’, da hab ich auch wirklich Glück mit meinen Freunden, dass ich da immer Unterstützung habe. Und die sich auch freuen mit mir. Also: Ja, wir reden noch!

„Neues aus der Welt“ sollte eigentlich ins Kino kommen, jetzt kam er bei Netflix raus. Macht das traurig, wäre es schön gewesen, eine große Premiere mit rotem Teppich?

Klar, das ist schon schade. Aber, ich weiß gar nicht, ob ich das schon sagen darf… Vielleicht kommt er ja doch noch in die Kinos. Drücken wir ganz fest die Daumen, dass Corona uns bald loslässt und alle Kinos und Theater wieder aufmachen dürfen. Zumindest mit Masken und Abstand.

Wie ist das eigentlich für dich, dich in einem Kino so überlebensgroß auf einer Leinwand zu sehen?

Toll. Klingt vielleicht ziemlich selbstverliebt. Aber ich glaube, das braucht es auch im Schauspiel. Du musst dich selbst mögen. Denn wenn du dich sonst immer auf der Leinwand sehen musst, fühlst du dich nicht wohl! Aber du guckst ja nicht auf dich. Du siehst dann die ganze Arbeit, die in dem Film steckt. Und was da noch an Schnitt und Ton dazukommt. Daran denkt man ja gar nicht, wenn man dreht. Das ist immer so schön an Premierenfeiern, wenn die alle zusammen sind.

Du hast mit vier Jahren erstmals vor der Kamera gestanden. Willst du auch Schauspielerin werden? Oder kannst du dir auch noch eine ganz andere Zukunft vorstellen?

Nee. Ich will auf jeden Fall Schauspielerin werden. Ich kann mir auch vorstellen, mal Drehbücher oder Bücher zu schreiben. Einen Beruf, der gar nichts mit Film zu tun hat, könnte ich mir nicht vorstellen. Höchstens Reittrainerin.

Du hast bislang noch nie Schauspielunterricht gehabt. Willst du das mal nachholen? Oder braucht man das gar nicht, wenn man schon so viel gedreht hat.

Gar nicht würde ich nicht sagen. Viele sagen, das sei sehr hilfreich und lässt sie besser werden. Aber für mich ist das erst mal nicht so was. Ich habe es auch ohne Unterricht geschafft. Und ich glaube, was mein Schauspiel ausmacht, ist eben: Ich spiele sehr natürlich und denke nicht darüber nach, was ich mache, sondern mache eben – und vergesse alles um mich herum. Das ist wie ein roter Tunnel: Da sind nur noch die Schauspielpartner und meine Trainer. Und danach springe ich wieder fröhlich herum. Ich möchte auf jeden Fall so natürlich bleiben, aber wenn ich mal ganz krasse Rollen haben sollte, wo ich dazu lernen muss, werde ich das machen. Aber jetzt im Moment denke ich, erst mal nicht.

Und willst du dann erst mal im deutschen Film spielen – oder auch gern wieder in Hollywood?

Ach, ich finde, so lange die Rollen mir gefallen, ist es doch letztlich egal, in welcher Sprache die sind. Klar, Sprachen wie Russisch oder Portugiesisch würde ich jetzt nicht so schnell lernen. Aber prinzipiell wäre mir das egal. Klar, Hollywood ist ein Ziel, wo viele hinwollen. Ich fühle mich aber auch beschenkt, wenn deutsche Angebote kommen. Und mit Pferden kann man ja auch nicht so leicht umziehen.

Nach dem Golden Globe kommt der Oscar. Hast du Hoffnung, dass du da auch nominiert werden könntest?

Das Wichtigste ist einfach, dass man sich wohlfühlt, dass ich mir selbst gefalle und dass man mich gern sieht auf der Leinwand. Nicht unbedingt, dass man Preise gewinnt. Natürlich wäre das toll. Aber wenn nicht, würde ich nicht unglaublich traurig sein. Ich würde mich aber freuen, wenn der Film nominiert wird. Aber warten wir ab. So ’ne Nominierung für den Golden Globe ist für mich persönlich auch schon genug. Das ist alles, was man sich erträumen kann, gerade in meinem Alter. Als deutsches Kind in Amerika. Und es muss ja auch noch Luft nach oben bleiben! Wenn ich jetzt schon alles abräume, dann hat man ja nichts mehr zu erreichen.