Simon Verhoeven hat mit „Nightlife“ einen Film über das Berliner Nachtleben gedreht. Auch wenn er dem selbst längst abgeschworen hat.

Mit den „Männerherzen“-Filmen hat Simon Verhoeven Kassenerfolge erzielt. Mit der Migrationskomödie „Willkommen bei den Hartmanns“ hat der Filmregisseur dann sogar einen Film zur Flüchtlingskrise gedreht. Mit seinem jüngsten Film, der jetzt in den Kinos läuft, hat sich der Sohn der Schauspielerin Senta Berger und des Regisseurs Michael Verhoeven wieder der leichteren Unterhaltung zugewandt. „Nightlife“ spielt in der Berliner Nachtszene. Auch wenn sich der Münchner da nicht so genau auskennt. Und auch wenn er selbst schon lange nicht mehr nachts um die Häuser zieht. Wir haben den 47-Jährigen im Hotel de Rome vor der Weltpremiere des Films getroffen.

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Berliner Morgenpost: Schon Ihr allererster Film „100 Pro“ war eine Reise durch die Nacht. Zwei Jugendliche wollten da in einen Klub und kamen nicht rein. Ist „Nightlife“ jetzt eine Art Fortsetzung, 20 Jahre später?

Simon Verhoeven: Irgendwo vielleicht auch. Die Idee ist jedenfalls schon älter. Die trage ich schon, und dafür schäme ich mich auch nicht, seit 20 Jahren mit mir herum. Während meiner Studententage war ich immer fasziniert von der Idee, einen Film zu machen, der in einer Nacht spielt. „100 Pro“ war allerdings als Film noch etwas unausgegoren und auch absolut kein Erfolg. Der stand zwischen allen Stühlen, er war nicht doof genug für eine Teeniekomödie und nicht fein genug für die Arthouse-Fraktion. Das war keine gute Erfahrung für mich, ich habe danach lange gezweifelt, ob ich wirklich Regie machen sollte. Aber ich habe immer gedacht, ich werde nochmal einen Film über eine Nacht machen. Wenn ich meinen Beruf besser kann.

„Nightlife“ handelt von zwei Barkeepern (Frederick Lau und Elyas M’Barek), die genug haben vom Nachtleben.
„Nightlife“ handelt von zwei Barkeepern (Frederick Lau und Elyas M’Barek), die genug haben vom Nachtleben. © dpa | -

Das heißt, wenn sie den Film damals gemacht hätten, wäre es möglicherweise ein ganz anderer geworden?

Er wäre auf jeden Fall nicht so unterhaltsam geworden. Er mag nicht eine Tiefe oder Relevanz haben wie „Willkommen bei den Hartmanns“, aber er hat eine Rhythmik und handwerkliche Fertigkeit, die ich damals bestimmt noch nicht hätte erzeugen können. Manchmal muss man auch alt werden, um junge Stoffe zu machen. Oder junge Stoffe gut zu machen. Aber zu alt auch nicht! Ich freu mich auch, dass ich jetzt den Kopf für neue Projekte frei habe.

Der Film heißt „Nightlife“, führt aber auch auf Spieleabende und zu Seniorentanznachmittagen? Ist das nicht eine Mogelpackung?

Es geht um eine Reise durch die Nacht. Dazu gehören eben nicht nur Clubs, die wir ja durchaus zeigen. Sondern auch die Kneipe, die Currywurstbude danach oder die letzte U-Bahn nach Hause. Und wenn der Rentner mit 70 noch mal ins Tanzcafé geht, ist das für ihn genauso aufregend, wie wenn man mit 18 in den Klub geht. Das wollte ich auch mit einem gewissen Augenzwinkern zeigen, was die Nacht alles sein kann.

Sind Sie denn ein Nachtmensch, genießen Sie das Nachtleben?

Nein, überhaupt nicht mehr. Ich habe jetzt ein Kind. Da will man den Tag erleben. Aber ich schreibe oft nachts. Da geht das am besten, weil es dann so still ist und ich Ruhe habe. Und natürlich ist der Titel mit einem Augenzwinkern gemeint, weil diese Barkeeper sich nach einem Tagleben und einer funktionierenden Beziehung sehnen. Nach einem normalen Leben. Den Wunsch gibt es bei vielen, die im Nachtleben arbeiten.

Regisseur Simon Verhoeven (l.) mit seinen „Nightlife“-Stars Palina Rojinski und Elyas M'Barek bei der Weltpremiere des Films in Berlin.
Regisseur Simon Verhoeven (l.) mit seinen „Nightlife“-Stars Palina Rojinski und Elyas M'Barek bei der Weltpremiere des Films in Berlin. © dpa

Sie waren selbst mal in der Gastronomie tätig. Ist davon etwas in den Film geflossen?

Nur als Student. Da habe ich gekellnert. Da habe ich auch viele Charaktere kennengelernt. Und auch immer wieder von diesem Traum gehört, einen eigenen Laden zu haben. Ein Traum, der sich bei den meisten nicht erfüllt hat. Was dann auch eine gewisse Tragik hat.

Der Film spielt nicht in München, wo Sie wohnen und arbeiten. Sondern in Berlin. Weil Berlin hipper ist?

Klar. Berlin ist Weltstadt. Mein Vater ist Berliner. Und meine Eltern haben schon, als ich sieben war, gesagt: Später gehst du mal nach Berlin. Das war bei uns zuhause immer der Ort, an den man gehen soll. Meine Mutter meinte immer: Du wirst doch nicht in München bleiben, sei nicht verrückt. Ich bin dann erst mal nach New York. Und als ich zurückkam, war es schön, in die Heimat zurückzukommen. Aber natürlich bin ich ganz oft in Berlin, weil meine Produktionsfirma hier ist, weil viele meiner Schauspieler hier leben. In den letzten 20 Jahren bin ich zwischen Berlin und München gependelt. Und Berlin ist natürlich aufregender. Die Stadt war in den 90-ern, was New York in den 80-ern war. Für junge Menschen die Stadt, in die man heute hinmuss. Hier gab es eine Art von Freiheit, auch Anarchie. Auch wenn das jetzt etwas clubtouristischer geworden ist.

Und wie ist das nach einem langen Drehtag? Stürzt man sich nach getaner Arbeit mit den Kollegen noch ins Nachtleben?

Selten. Nachtdrehs, das habe ich unterschätzt, sind sehr anstrengend, weil man ja auch tags noch die Logistik abklären muss. Ausgehen man dann vielleicht mal am Ende einer Woche. Aber dann geht man auch nur was trinken oder vielleicht gemeinsam essen. Alles sehr zahm. Man geht nicht „steil“ in irgendwelche Clubs. Das haben wir eher mal vorab für die Recherche gemacht.

Großer Arthouse-Erfolg: Verhoevens Migrationskomödie „Willkommen bei den Hartmanns (2016).
Großer Arthouse-Erfolg: Verhoevens Migrationskomödie „Willkommen bei den Hartmanns (2016). © dpa

Wie gut haben Sie das Nachtleben hier kennengelernt. Jetzt schreiben Sie nachts, aber war das früher vielleicht anders?

Wie jeder, der in den 90-ern in Berlin war, war ich nachts oft unterwegs und habe daran auch intensive Erinnerungen. Heute ist das Nachtleben anders, aber immer noch spannend. Und Berlin ist halt nicht nur das Berghain, es gibt auch ganz konträre Sachen wie den Beachclub in Charlottenburg, der mehr Starnberg ist, als es Starnberg je sein wird. Es gibt hier unendliche Möglichkeiten durch diese extremen Kiezgegensätze. Das kenne ich aus keiner anderen Stadt. Aber ich war da immer mehr Beobachter, ich war nie so einer, der sich darin verliert. Ich beobachte gern, wie Leute aufeinandertreffen, wie sie sind, wenn sie enthemmt sind. Das Nachtleben ist eine spannende Bühne. Da bin ich auch nicht der einzige Regisseur, der darin eine Bühne sieht.

Sie absolvieren auch einen hübschen kleinen ironischen Selbstauftritt in „Nightlife“. Das ist das erste Mal seit neun Jahren, dass Sie wieder selbst vor der Kamera stehen. Ist Schauspielen für Sie vorbei?

Ich habe mich nie als Schauspieler gesehen und bin da nur so reingerutscht. Mein Traum war es immer, zu schreiben und Regie zu führen. Aber die Schauspielerei war für mich der Weg, wie ich das Filmgeschäft kennengelernt habe. Um meinen Traum dann zu erfüllen. Ich habe mit Schauspiel Geld verdient, ich war aber nie sehr überzeugt von meiner Schauspielkunst. Ich bin für den Job eigentlich auch viel zu schüchtern. Das können andere alles viel besser. Nur komödiantische Rollen, die liegen mir. Ich würde sagen, das kann ich. Aber jetzt bin ich zum Glück nicht mehr darauf angewiesen, damit mein Geld zu verdienen.

Simon Verhoeven im Gespräch mit Morgenpost-Redakteur Peter Zander.
Simon Verhoeven im Gespräch mit Morgenpost-Redakteur Peter Zander. © FUNKE FotoServices | Maurizio Gambarini

Angebote in dieser Richtung kommen dann auch gar nicht mehr?

Doch. Es kommen schon Anfragen. Die sage ich aber ab. Die Sachen, die spannend sind, kriegt sowieso Florian David Fitz. Ist doch so! Wenn ich ein Angebot kriege, weiß ich, das hat zuvor Flo bekommen und dann wohl noch andere. Da haben dann schon ein paar abgesagt.

Ihre „Männerherzen“-Filme waren große Erfolge, ebenso die „Hartmanns“. Inwiefern steht man da eigentlich, auch vor sich selber, unter Erfolgsdruck?

Den Druck fühle ich nicht beim Schreiben. Da bin ich ganz frei. Und ich kann ja sowieso nur das tun, was ich machen kann. Ich gebe da alles. Ich schreibe so lange, bis ich das Gefühl habe, es sitzt. Dann gefällt es mir und stehe ich auch dazu. Bisher hatte ich das Glück, dass das, was ich geliefert habe, vom Publikum geschätzt wurde. Und natürlich freue ich mich über volle Kinos. Aber wenn es mal kein Hit wird, dann ist es eben so. Wenn ein Film floppt, möchte ich auf jeden Fall sagen können, dass ich mein Bestes gegeben habe und zu dem Film stehen kann.