Star-Interview

Barbara Sukowa: „Im Alter wird man gnädiger mit sich“

| Lesedauer: 10 Minuten
Peter Zander
Seit 1992 lebt Barbara Sukowa in New York. Nach Berlin kommt sie nur noch für einen neuen Film.  Oder um ihre Enkelin zu besuchen.

Seit 1992 lebt Barbara Sukowa in New York. Nach Berlin kommt sie nur noch für einen neuen Film. Oder um ihre Enkelin zu besuchen.

Foto: Reto Klar / FUNKE Foto Services

Barbara Sukowa wird am 2. Februar 70 Jahre alt. Und gibt ihr spätes Debüt in einer Komödie. Wir haben die Schauspielerin getroffen.

Sie war ein Fassbinder-Star in Werken wie „Lola“ und „Berlin Alexanderplatz“. Und untrennbar ist ihr Name auch mit dem von Margarethe von Trotta verbunden, mit der sie Filme wie „Rosa Luxemburg“, „Hannah Arendt“ oder „Hildegard von Bingen“ gedreht hat. Am heutigen Sonntag wird Barbara Sukowa nun 70 Jahre alt. Und überrascht noch einmal mit einem ganz neuen Debüt: Erstmals spielt sie in einer Filmkomödie mit. „Enkel für Anfänger“ kommt nächsten Donnerstag in die Kinos. Barbara Sukowa, die seit 1992 in New York lebt, ist nur selten in Deutschland. Wir haben sie im Hotel de Rome getroffen.

Berliner Morgenpost: Frau Sukowa, man verbindet Sie mit vielen starken Dramen. Jetzt überraschen Sie mit Ihrer ersten richtigen Komödie. Wieso hat das so lange gedauert?

Barbara Sukowa: Man hat mich nie gefragt!

Aber Sie wären bereit gewesen? Haben vielleicht immer darauf gewartet?

Und ob. Bei meiner Mieze in „Berlin Alexanderplatz“ durfte ich schon mal etwas Komödiantisches zeigen. Im Theater durfte ich auch mal einen Clown spielen und einmal einen Valentin. Aber im Film durfte ich nicht ein einziges Mal was Leichtes, Lustiges sein. Nein, immer musste es schwer und getragen sein.

Sie haben darunter aber doch hoffentlich nie gelitten?

Aber nein, das waren ja immer hochspannende Figuren! Aber deshalb habe ich jetzt diesen Film gemacht. Ich habe quasi blind zugesagt. Um das endlich mal tun zu dürfen. Ich fand dann aber auch das Drehbuch gut und habe oft beim Lesen laut aufgelacht, das tut man ja selten.

Sie haben letztes Jahr den Kinderfilm „Rocca verändert die Welt“ gedreht, jetzt spielen Sie in „Enkel für Anfänger“ eine Leihgroßmutter. Kommen Sie, pardon, in das Alter für die Oma-Rollen?

Na hören Sie, da bin ich doch schon lange! Ich werde jetzt 70, da habe ich doch auch das Alter dazu. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich unbedingt diese Omi-Rolle haben wollte.

Haben Sie selbst Enkel? Und wie sind Sie als Großmutter? Eher unkonventionell wie im Film? Oder doch die Strenge, die immer über das Kind wacht?

Ich habe eine Enkelin, die ist sechs. Ich sehe sie nicht so oft, weil sie hier in Berlin wohnt. Ich glaube, ich bin da ganz lax. Ich habe Kinder immer gern beobachtet. Insofern lasse ich sie – ich gucke einfach gern, was sie machen.

In den USA spielen Sie in der Science-Fiction-Serie „12 Monkeys“, in Deutschland Komödien und Kinderfilme. Erfinden Sie sich gerade neu? Wollen Sie womöglich von einem gewissen Image wegkommen?

Nein. Das klingt mir jetzt zu sehr nach Plan. Ich habe gerade für einen weiteren deutschen Film zugesagt. Das ist keine Komödie. Das war jetzt einfach Zufall, dass diese beiden Filme hier in Deutschland nacheinander kamen.

Werden Sie in den USA womöglich ganz anders wahrgenommen als bei uns?

Ja. Ich sage immer: In Deutschland spiele ich Jüdinnen und in den USA Nazis. Das sind zumindest die Rollen, die mir angeboten werden. Ich sage da nicht immer zu, weil ich das nicht möchte. Das ist halt ein ziemliches Klischee. Ich darf auch mal die deutsche Wissenschaftlerin spielen, aber das ist auch ein Klischee.

Sie werden jetzt 70. Werden Sie das zelebrieren? Oder schreckt Sie die Zahl?

Ich werde groß feiern in New York. Mit 70 Menschen. Ich finde es toll, dass ich das geschafft habe. Ich hätte das nie gedacht. Meine Mutter wurde nicht so alt. Die Zahl macht einem schon Eindruck. Als ich jung war, habe ich mir Menschen mit 70 auch ganz anders vorgestellt: eigentlich halb im Grab. Mit 18 fand ich es eklig, dass sich Leute über 30 noch küssen. Und 1968 hieß es, trau keinem über 30. Man war da schon sehr ungerecht. Es ist nur fair, dass man jetzt so alt geworden ist und das natürlich ganz anders sieht.

Blicken Sie eigentlich zurück? Bei runden Geburtstagen, oder auch sonst?

Ich bin eigentlich eher jemand, der in die Zukunft schaut. Ich habe auch kein so gutes Gedächtnis für die Vergangenheit. Klar, ich versuche schon, mich kennenzulernen und zu verändern. Aber ich bin eher neugierig auf das, was kommt.

Dennoch: Gibt es Filme, auf die Sie besonders stolz sind?

Man denkt immer, ich hätte so viel gemacht. Aber habe ich gar nicht! Weil ich drei Kinder hatte, habe ich mir die sehr genau ausgesucht. Ich wollte nicht so oft von zu Hause weg sein. Heute denke ich mir – und insofern schau ich doch zurück: Ein paar mehr Filme hätten es ruhig sein können. Das hätte den Kindern auch nicht geschadet. Aber bin ich stolz? Schon mit dem Begriff hab’ ich Schwierigkeiten. Ich freue mich, dass meine Filme mit Margarethe oder Fassbinder immer noch gezeigt werden. Ich bin demnächst sogar nach Vietnam eingeladen, dort werden „Rosa Luxemburg“ und sogar „Hildegard von Bingen“ gezeigt. Kürzlich lief auch „Die bleierne Zeit“ in New York. Da ist mein Sohn mit ein paar Freunden rein, die waren ganz begeistert. Das finde ich erstaunlich, dass die immer noch eine solche Kraft haben.

Schauen Sie sich selbst auch ältere Filme mit Ihnen an?

Schon, weil ich so ein schlechtes Gedächtnis habe! Wenn ich zu einem Festival eingeladen werde, wo die gezeigt werden, muss ich ja was dazu sagen können.

Und sehen Sie die Filme dann womöglich auch noch mal neu?

Ja. Man wird gnädiger mit sich. Wenn ich Filme sehe, kurz nachdem sie gemacht wurden, bin ich immer ganz kritisch und habe furchtbar viel an mir auszusetzen. Als Schauspieler stellt man sich in seiner Fantasie immer viel mehr vor, als man im fertigen Film sieht. Dann fehlt einem das. Und ärgert sich. Aber wenn ich sie nach 20 Jahren sehe, denke ich: War doch ganz okay! Weil man vergessen hat, was man sich vorgestellt hat.

In „Enkel für Anfänger“ geht es um Rentner, die nicht in den Ruhestand gehen wollen. Wie ist das bei Ihnen? Könnten Sie sich vorstellen, je die Hände in den Schoß zu legen?

Nur im Sessel sitzen? Nein, die Vorstellung wäre schlimm. Was ich mir vorstellen könnte, wäre, etwas anderes zu machen. Ich habe mich jetzt mit einer Frau aus Singapur zusammengetan, die Augenkliniken in den Himalaya bringt. Ich durfte sie begleiten in ganz entlegene Dörfer. Das hätte ich mir auch nie vorstellen können, dass ich mit knapp 70 einen Treck auf 5000 Meter hoch mache. Gar nichts tun? Nicht, solange es körperlich noch geht. Und da bin ich ganz zuversichtlich. Ich verdränge auch gern. Und behaupte einfach: Ich kann das.

Sie haben einmal gesagt, Sie würden heute nicht noch mal Schauspielerin werden. Warum? Ist der Druck zu hoch?

Naja, das hab ich so gesagt... Vielleicht würde ich es ja doch wieder werden. Aber ich fände es sehr schwer, heutzutage wahrgenommen zu werden. Diese ganze Arbeit drumherum, Premieren, roter Teppich, Interviews, das alles hat mir nie gefallen. Und heute musst du als junger Schauspieler ja ständig in den sozialen Medien präsent sein, mit Facebook, Instagram und all dem Zeug. Ich habe mich immer nur für die Arbeit an sich interessiert, alles andere brauche ich nicht.

Wird man heute nicht in jeder Produktion gebeten, etwas zu posten? Um die Fans aufmerksam zu machen?

Nö. Das mach’ ich nicht. Ich war mal wegen der Serie kurz bei Twitter. Da wurde ich bekniet. Aber ich habe das überhaupt nicht verstanden. Ich habe dann ein fürchterliches Foto von mir mit zwei Zucchini in der Hand gepostet. Das wollte ich nur einer Kollegin zeigen: Guck mal, so hab’ ich geschwitzt, um mein Gemüse zu ziehen. Und wusste nicht, dass das dann für die ganze Welt zu sehen ist. Überall finde ich mich jetzt mit diesen Zucchini wieder. Aber auch da ist das Alter wohl gnädig. Mich werden die Leute wohl nicht auf Facebook oder Co. suchen.

Sie leben seit 1992 in New York. Empfinden Sie sich eigentlich noch als deutsch?

Ich war 42, als ich nach New York kam. Da ist man im Kopf schon deutsch. Und das bleibt man dann auch. Das wäre anders gewesen, wenn ich als junger Hüpfer hierhergekommen wäre.

Und wie nehmen Sie, mit dem Blick von außen, Deutschland wahr?

Das Schlimme ist wohl, dass ich gar nicht mehr so viel weiß. Ich komme hierher, um zu arbeiten. Oder bei meiner Enkelin zu sein. Ich versuche mich zu informieren. Aber ich maße mir kein Urteil an. Ich fürchte, wenn ich in den USA über Deutschland spreche, muss ich immer aufpassen, dass ich nicht irgendwas erzähle, was vor 30 Jahren war. Ich habe vielleicht noch ein Bild im Kopf, das es gar nicht mehr gibt.