Der Abend beginnt mit seinem Abspann. Während die Zuschauer in den Kammerspielen des Deutschen Theaters Platz nehmen, flimmert weiße Schrift auf dem Eisernen Vorhang von unten nach oben, dazu ist eine russische Coverversion von Abbas „The Winner Takes It All“ zu hören. Der Text bilanziert die Wendejahre ökonomisch: „Die Zahl der Angestellten in den VEB-Betrieben wurde innerhalb von 24 Monaten von 4,1 Millionen auf 1,24 Millionen abgebaut“, 3713 Betriebe wurden geschlossen“, lesen wir, aber auch: „Die Deutsche Bank feierte 1990 das beste Ergebnis ihrer 100-jährigen Geschichte.“
Das Thema war ja schon mit dem Titel gesetzt. „Hasta la Westler, Baby“ ist der Versuch, sich einen Reim zu machen auf die deutsch-deutsche Transformationszeit, deren Beginn, der 9. November 1989, inzwischen 30 Jahre zurückliegt und die längst noch nicht abgeschlossen scheint. Und folgerichtig sitzen sich Ost (in Gestalt von Peter René Lüdicke) und West (Maren Eggert) in der ersten Szene auf schlichten Stühlen gegenüber und versuchen sich in einer Art Therapiegespräch, das nirgendwohin führt, weil jede Selbstaussage zugleich eine Kränkung des Gegenübers einschließt – ganz egal, ob es nun um die Beliebigkeit der kapitalistischen Warenwelt geht oder um die „verwahrlosten Landschaften“ zwischen Leipzig und Halle. Hier sitzen zwei, die vielleicht zuerst Neugier aufeinander empfinden, sich aber dann schnell in den Verworrenheiten des gegenseitigen Nichtverstehens verstricken. Ihre Umarmung am Ende ist ein einziger Krampf.
Ein gefederter Erich Honecker
Die Lebenserfahrung, dass auf die Freude am Neuen recht schnell die Entdeckung des Trennenden folgt, zieht sich leitmotivisch durch diesen klugen, unterhaltsamen, nachdenklich stimmenden Abend der Regisseure Tom Kühnel und Jürgen Kuttner. Sie wollen keine lineare Erzählung zum Stand des deutsch-deutschen Verhältnisses, eine solche wäre ja auch lächerlich. Stattdessen liefern sie, was gerade Kuttner am besten kann: Schnipsel in mal lustigen, mal klamaukigen, oft auch irritierenden Variationen. Kuttner schwebt als Astronaut aus dem Bühnenhimmel oder rezitiert Erich Honeckers Rechtfertigungsrede von 1992, während er sich auszieht, mit einem Gel einschmiert und in einem Glaskasten federn lässt. In gewollt plumper Metaphorik sehen wir die Ostler als begriffsstutzige Indianer, denen ein Cowboy (großartig: Božidar Kocevski) ein Motivationsseminar vorgeigt, das von sprachlichen Knieschüssen wie „wir müssen die Menschen abholen, wo sie sind“ nur so wimmelt.
Den Abend strukturieren Passagen aus Michael Eberths Theatertagebüchern der Jahre 1991-96. Eberth, seinerzeit Chefdramaturg am Deutschen Theater unter Intendant Thomas Langhoff, schildert darin, wie er an den Strukturen des ehemaligen Staatstheaters über Jahre hinweg verzweifelt – gibt aber auch, sicher nicht immer freiwillig, zu erkennen, wie wenig er auf die Erfahrungswelten und ästhetischen Kategorien des Ensembles zuzugehen bereit ist. Das Scheitern daran, aus der Fremdheit des jeweils anderen etwas Neues, Verbindendes entstehen zu lassen: Dieses Scheitern bildet den Abgrund hinter dieser Inszenierung, die Matthias Trippner musikalisch hinreißend begleitet. Es ist ein Abgrund, in den wir noch heute blicken.
Deutsches Theater (Kammerspiele), Schumannstr. 13a, Mitte. Nächste Vorstellungen: 28.1., 9.2., Kartentel.: 28 441 225.