Beim legendären Festival „Fluxus. Internationale Festspiele Neuester Musik“ 1962 in Wiesbaden flogen die Fetzen. Die Künstlergruppe um den amerikanisch-litauischen Künstler George Maciunas bearbeitete einen Konzertflügel so lange mit Hämmern, Nägeln und Brechstangen, bis nur noch Trümmer übrig waren.
Außer Sozialkritik mag Revanche für quälende Musikstunden in Kindertagen im Spiel gewesen sein. Der bürgerliche Klangkörper blieb ein bevorzugtes Objekt für künstlerische Bearbeitungen, für „Piano Activities“ (Philip Corner), die allerdings nicht notwendig zur Schrottreife führen müssen.
Piano aus Toilettenpapier
Im KW Institute for Contemporary Art in Berlin beginnt heute ein fünftägiges Festival mit dem Titel: „Broken Sounds/Remote Music. Prepared pianos from the Archivio Conz collection“. Im Zentrum stehen 24 Künstlerklaviere aus dem privaten Archiv, darunter auch ein Prachtstück aus Toilettenpapier.
Die Pianos aus den 1970er- bis 2000er-Jahren werden in den kommenden Tagen von Avantgardemusikern bespielt, unter anderem vom 72-jährigen Minimal-Vertreter Charlemagne Palestine aus den USA.
Der italienische Kunstliebhaber und Verleger Francesco Conz (1935-2010) hatte ab den 1970er-Jahren in einem Palazzo nahe Venedig Fluxus-Events und Happenings organisiert. Künstler wie Otto Muehl, Nam June Paik oder Hermann Nitsch gingen bei ihm ein und aus. Der Mäzen nahm auch Kontakt zur New Yorker Szene um John Cage und Maciunas auf. Conz sammelte auch Fetische: persönliche Gegenstände bewunderter Künstler.
Seit 2016 Privatsammlung von Conz in Berlin
Zerstrittenen Erben ist es geschuldet, dass das Archivio Conz nach dem Tod des Exzentrikers Italien verlassen hat. Als Käufer ist die Western Bank im Auftrag des Milliardärssohns Daniel Hopp in Erscheinung getreten.
Seit 2016 befindet sich die mehrere Tausend Objekte umfassende Privatsammlung in Berlin, wo sie rund 700 Quadratmeter Lagerfläche belegt.
„Broken Sounds/Remote Music“ ist das erste größere Event des Archivio Conz in Berlin. Das Material, darunter allein 65 Künstlerklaviere, befindet sich im Prozess der Dokumentation. Sicherlich wäre eine dauerhafte Präsentation der eigenwilligen Sammlung wünschenswert, wenn nicht in Berlin, dann in Italien.