Kultur

„Kunstarchiv Beeskow“: Ein Speicher für Ost-Kunst

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Jens Rümmler
Kunstarchiv Beeskow  depot_kunstarchiv  Autor : Jens Rümmler

Kunstarchiv Beeskow  depot_kunstarchiv  Autor : Jens Rümmler

Foto: Kevin Fuchs / © Kevin Fuchs

30 Jahre nach dem Mauerfall holt das neue „Kunstarchiv Beeskow“ Ost-Bilder und Büsten aus der Versenkung.

Beeskow . Der in Bronze gegossene Lenin schaut eher skeptisch in den Raum. Karl Marx wirkt auf einem Wandbild daneben schon optimistischer. Ein Bild weiter klotzen DDR-Werktätige richtig ran – Willi Sitte zeigte auf seinen Bildern gern, wie der Sozialismus hätte siegen sollen. Mit der Wirklichkeit im Osten hatte das nie etwas zu tun.

In dem im Mai 2019 eröffneten „Kunstarchiv Beeskow“ (Oder-Spree) erblickte 30 Jahre nach dem Mauerfall aber nicht nur ideologisch gefärbte Staatskunst wieder das Tageslicht. Im Depot direkt an der Spree finden Besucher auch Arbeiten, die den normalen Alltag in der DDR zeigen. Es sind Szenen eines Gesellschaftsversuchs, der 1989 scheiterte.

Das Bild „Am Strand“ von Walter Womacka sticht am Eingang gleich ins Auge. „Es ist das vermutlich meist reproduzierte künstlerische Werk der DDR“, so „Kunstarchiv“-Leiterin Florentine Nadolni. (Laut Wikipedia existieren davon rund drei Millionen Abzüge.) Ein Besucher aus Leipzig erklärte kürzlich, er habe das Bild in den 80er Jahren beim Kauf einer Schrankwand gratis dazu bekommen. Womacka malte „Am Strand“ Anfang der 60er Jahre.

Insgesamt beherbergt das neue Depot rund 23500 Einzelobjekte, darunter 17000 Werke der bildenden Künste, aber auch Kunst von Laien. „Es handelt sich meist um staatlich finanzierte Auftragswerke, etwa von der SED, von der Einheitsgewerkschaft FDGB oder vom Kulturbund“, nennt Florentine Nadolni einige Vorbesitzer. Nach der deutschen Wiedervereinigung gingen die Werke in den Besitz der neuen Bundesländer über. In Beeskow lagert den Angaben nach der Anteil der Länder Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Komplett sei die Beeskower Sammlung jedoch nicht, betont die 37 jährige Depot-Chefin, gleichzeitig Direktorin der Burg Beeskow. Ein Teil lagere in Eisenhüttenstadt, andere Kunstwerke würden in Museen, auf Symposien und in Vorträgen gezeigt. In vielen Fällen sei das „Kunstarchiv Beeskow“ Leihgeber, sagt Florentine Nadolni. „Unsere Zusammenstellung bietet heute vielfältige Einblicke in das Kultur- und Kunstsystem der DDR. An ihr lassen sich politische und gesellschaftliche Normen ablesen“, erklärt die Kulturwissenschaftlerin und Soziologin. Andererseits lade der Bestand dazu ein, ästhetischen Qualitäten nachzuspüren. Schließlich würden Ost-Maler wie Neo Rauch bis heute Weltruf genießen.

Mehr als 25 Jahre lagerte die vergessene Ost-Kunst in einem alten Beeskower Speicher. Die teils prominenten Werke sind nun nicht nur sichtbar, sie können auch wieder konservatorisch sachgerecht aufbewahrt werden. Mit einer Förderung in Höhe von 300000 Euro, vor allem aus Mitteln des Invest-Ost-Förderprogramms von Bund und Ländern, wurde in einer früheren Berufsschule ein modernes System aus Ziehgittern mit etwa 100 verschiebbaren Elementen installiert. Nunmehr stünden rund 2500 Quadratmeter Fläche zur Hängung der Bilder zur Verfügung. Das sind in etwa so viel wie drei Handballfelder, erklärt eine Mitarbeiterin.

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Von außen wirkt das „Kunstarchiv“ neben der Burg Beeskow eher unscheinbar. Innen erscheint die Zusammenstellung der einzelnen Bilder, Büsten und Einzelobjekte willkürlich. Die Anordnung der Gemälde folgt keiner bestimmten Thematik, sondern der alphabetischen Reihenfolge der Künstlernamen.

Eine Kooperation bestünde mit dem „Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR“ in Eisenhüttenstadt. Das „Kunstarchiv Beeskow“ soll zukünftig auch Forschungsstätte sein: „Wissenschaftler, Studierende und Geschichtsinteressierte sind eingeladen, Werke von mehr als 1700 Künstlern zu besichtigen“, so Florentine Nadolni. Neben einer eigenen Datenbank steht dazu auch die Spezialbibliothek „Kunst in der DDR“ zur Verfügung.

An- oder Verkäufe von Kunstwerken sind in absehbare Zeit nicht geplant, sagt Florentine Nadolni auf Nachfrage. Das gelte u.a. auch für das von Software-Milliardär Hasso Plattner in Potsdam geplante Museum für DDR-Kunst. Für das in Trägerschaft des Landkreis Oder-Spree geführte Beeskower Depot gelte ein „temporärer Sammlungsstopp“. Finanziert wird das Projekt größtenteils vom Brandenburger Kulturministerium. Bis auf eine kleine Pauschale für die Restaurierung von Kunstobjekten hätten sich die Länder Berlin und Mecklenburg-Vorpommern aus der Finanzierung des Projekts verabschiedet, ist von Mitarbeiterin Sabrina Kotzian zu erfahren.

DDR-Kunstwerke aus Beeskow sollen auch zukünftig als Leihgabe in Ausstellungen zu sehen sein. So bekundete beispielsweise das New Yorker Museum of Modern Art nach Angaben aus der Kreisverwaltung Oder-Spree Interesse.