Max Raabe hat in „Clärchens Ballhaus“ mit Gast-Stars ein „MTV Unplugged Album“ aufgenommen. Nun ist es erschienen. Ein Interview.

Im Mai hat Max Raabe (57) mit seinem Palast Orchester und zahlreichen Gästen wie Herbert Grönemeyer, Lars Eidinger, Mr. Lordi und Lea in „Clärchens Ballhaus“ sein sehr stimmungsvolles und üppiges „MTV Unplugged“-Album aufgenommen, das jetzt erschienen ist. Dort trafen wir ihn zum Interview.

Max Raabe, wir sitzen im einstigen Raucherzimmer von „Clärchens Ballhaus“ in Berlin-Mitte. Haben Sie mal geraucht?

Max Raabe Als ich mit der Schule fertig war, fand ich es sehr toll und entspannend, Pfeife zu rauchen. Bis ich merkte, dass das ganz schön auf Hals und Rachen geht und meinem Beruf alles andere als zuträglich ist.

Das kann man sich so richtig schön vorstellen, Max Raabe mit Pfeifchen.

In der Tat. Ich bin damals viel gewandert. Irgendwo hinsetzen, Päuschen machen, Pfeife stopfen, und die Sonne geht unter, das war schon eine schöne, kleine Betäubung. Vom Pfeife rauchen wird man ja ein kleines bisschen dusselig.

War nur Tabak drin?

Ja. Nichts, was lustig macht. Beim Kiffen habe ich keine Freude gehabt. Ich habe das nur zwei Mal probiert und beide Male gefroren wie ein Schneider. Danach war ich mit dem Thema durch. Jetzt bleibt mir nur noch der Alkohol (lacht).

Sind Sie ein Nachtschwärmer?

Durchaus. Ich tanze gern, und weitgehend ist es mir egal, zu welcher Musik. Wenn alle auf die Tanzfläche laufen, bin ich dabei.

In Berlin geht die Nacht spät los. Bei Ihnen auch?

Ich stelle mir jetzt nicht den Wecker auf 3 Uhr, um mich dann ab 4 Uhr bis morgens früh irgendwo in die Schlange zu stellen. Aber es passiert schon, dass ich lange unterwegs bin. Gestern war eine Freundin aus München zu Besuch, wir haben mit ein paar Leuten in der Kneipe gesessen und bestimmt bis 3 Uhr gequatscht. War ein lustiger Abend.

Dafür sind Sie aber schon wieder ganz munter.

Die Stimme hängt noch ein bisschen runter. Und rasiert habe ich mich auch nicht. Ich habe jetzt zwei Tage frei, da gönne ich mir diese kleine Nachlässigkeit.

Bei den Aufnahmen zu Ihrem „MTV Unplugged“-Album vor einigen Monate war vermutlich eher Präzision erforderlich?

Im Nachhinein war es schon sportlich, das ganze Konzert mit weit über zwei Stunden Länge an zwei Tage aufzunehmen. Aber wenn man mit so einem guten Ensemble wie dem Palast Orchester spielt, dann geht das. Außerdem haben wir die Lieder zum Teil umarrangiert, Tonarten verändert und natürlich intensiv mit den Gästen geprobt.

Darunter sind illustre Kolleginnen und Kollegen. Wie sind Sie auf Lars Eidinger gekommen?

Bei der Premiere seines Films „Die Dreigroschenoper“ hat er mich angesprochen und mir erzählt, dass er bei seiner Aufnahmeprüfung an der „Ernst Busch“-Schauspielschule in Berlin „Kein Schwein ruft mich an“ vorgetragen hat. Das fand ich lustig. Also fragte ich ihn, ob er sich vorstellen kann, „Moritat von Mackie Messer“ mit mir zu singen, ein perfektes Lied für uns beide. Bei Lars hatte ich bis zuletzt ein bisschen Bammel, ob er auch wirklich kommt, da er gerade in den Dreharbeiten zu „Babylon Berlin“ steckte und schlecht planen konnte, wann er Zeit hat.

Wie finden Sie die Serie?

Toll. Schauspielerisch herausragend und wirklich fesselnd.

Würde es Sie reizen, dort auch mal eine Rolle zu übernehmen?

Ich glaube zu wissen, was ich kann. Ein Schauspieler bin ich auf keinen Fall.

Als Lars Eidinger die jüngsten „Deichkind“-Videos drehte, zog er sich zum gegenseitigen Kennenlernen nackt aus. Hat er das bei Ihnen auch so gehalten?

Wirklich? Nee, in diesen Erfahrungsgenuss bin ich leider nicht gekommen. Tja, so sind sie, die Schauspieler.

War das mit dem „MTV Unplugged“-Album eigentlich Ihre Idee?

Nein, wir sind gefragt worden. Ich selbst wäre auf die Idee gar nicht gekommen, denn diese „MTV Unplugged“-Shows sind ja immer so cool, und ich bin gar nicht cool. Ich fand die Idee allerdings sehr reizvoll, Leute einzuladen, auf die man nicht käme, wenn man an uns denkt.

Auf so eine Art sind sie aber schon cool, oder?

Ich muss das Gespräch jetzt leider abbrechen (lacht). Ich will gar nicht cool sein, mir reicht es, entspannt zu sein. Ich sehe manchmal einen Opa und denke, das ist ja ein cooler Sack. Oder auch Kinder von Freunden, bei denen man denkt „Was für ein abgeklärter Kerl, obwohl er erst sechs ist“.

Auf „Der perfekte Moment“ rappt Samy Deluxe…

Okay, Samy ist wirklich ein cooler Hund. Er ist tiefenentspannt und sehr sympathisch, in seinen Texten spiegelt sich die Gegenwart wider, er ist kritisch und ein sehr kluger Beobachter.

Wissen Sie Bescheid im Hip Hop?

Mäßig. Es ist nicht so mein Ding, wenn Rapper in ihren Videos in Limousinen muffig guckend durch die Gegend fahren und sich über alles beschweren. Aber es gibt ein paar wirklich hervorragende Kollegen, die auch eine gewisse Ironie in ihren Texten haben.

Herbert Grönemeyer ist auch dabei, Sie singen seinen „Mambo“, und er singt Ihr Stück „Du weißt nichts von Liebe“. Ist er ein Freund?

Nein. Wir sind uns ab und zu über den Weg gelaufen und miteinander bekannt. Ich war wirklich sehr glücklich, als er zugesagt hat. Herbert hat mir gesagt, dass „Du weißt nichts von Liebe“ sein Lieblingsstück von mir ist. Ich habe das auch immer gern gesungen, vor allem wegen der Zeile „Ich krieg noch Geld von dir zurück/ das überweist du“. Nach einer Trennung kann das Miteinander sehr profan werden.

Herbert Grönemeyer artikuliert sich sehr laut und deutlich gegen rechten Populismus und Extremismus.

Das bricht aus ihm heraus und hat dieselbe Kraft wie alles andere, was er auf der Bühne macht. Ich finde das wahnsinnig beeindruckend.

Sie singen seit Jahrzehnten die Lieder der Weimarer Zeit, haben sich intensiv mit der Musik und den Menschen von damals beschäftigt. Gibt es heute Parallelen zu den Zwanziger und frühen Dreißiger Jahren?

Die Geschichte wiederholt sich nie so, wie sie schon mal war. Es wird anders sein, das ist das Tückische. Wir müssen aufpassen, dass die Rechten keine Stimmung im Land verbreiten und etablieren, die keiner außer denen will. Hass ist kein Weg.

Stehen Sie mit Ihren Liedern für das Gegenteil von Hass? Für Liebe und Leichtigkeit?

Ja, unbedingt. Ich habe ein Faible für Ironie. Ich glaube, wenn man Sachen ironisch hinterfragt, dann kann man nicht hassen. Ich denke auch, dass sich rechtsnationales Denken und Ironie ausschließen. Die Rechten sind ja alle so verbissen und unlustig.

Kann man Ironie lernen?

Ein bisschen ist Erziehung, aber das meiste Veranlagung. Bei uns liegt die Ironie in der Familie. Mein Bruder und ich haben oft erst am nächsten Tag über einen Spruch meines Vaters gelacht. Weil es so lange dauerte, bis der Groschen fiel. Bei uns hat es immer einen zurückhaltenden, angenehmen Humor gegeben, wir alle haben oft und gerne über uns selbst gelacht.

Ihre Tournee startet ausgerechnet im sächsischen Hoyerswerda, einer Stadt, die 1991 durch Neonazi-Angriffe auf ein Flüchtlingswohnheim berüchtigt wurde. Ist das ein Statement?

Nein, das ist Zufall. Auch in Hoyerswerda gibt es bestimmt ein paar Leute, die nicht ganz klar im Kopf sind, aber das ist eine Minderheit. Die Mehrheit sind freundliche und aufgeschlossene Menschen. Die kann man nicht wegen einiger Flitzpiepen in Sippenhaft nehmen.

Sie haben so ein ausgeglichenes Gemüt. Werden Sie eigentlich auch mal laut und schreien rum?

Auch bei mir gibt es solche finsteren Momente. Sie sind aber Gott sei Dank sehr selten.

Sie sind kürzlich von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer zur „Fahrradfreundlichsten Persönlichkeit 2019“ gekürt worden, haben übers Fahrradfahren auch schon ein Lied geschrieben und sind natürlich auch heute mit dem Rad gekommen. Ist man als passionierter Fahrradfahrer und insbesondere in Berlin nicht immer kurz vorm Durchdrehen?

Ach, ich fahre viel Fahrrad, weil es mir Spaß macht, aber manchmal auch Auto, ich kenne beide Seiten. Andere machen manchmal Fehler, ich aber auch. Rücksichtnahme ist das, was den Verkehr für alle erträglich macht. Man darf sich nicht zu sehr provozieren und mitreißen lassen. Aggressive Vollpfosten gibt es auf zwei Rädern wie auf vier.

Als gebürtiger Westfale leben Sie seit mehr als 35 Jahren in Berlin. Mögen Sie die Stadt noch?

Ja, vor allem, seit die Mauer weg ist. Ich finde Berlin nach wie vor großartig und lebe sehr gerne hier. Oper, Theater, Konzerte, Biergärten – ich gehe abends viel und gerne aus. Auf dem Land könnte ich das so nicht. Auf der anderen Seite genieße ich im Sommer den großen Vorteil, dass an der Stadtgrenze sofort die Natur anfängt, mit Wäldern, Wiesen und herrlichen Seen. Sich irgendwo verabreden, baden gehen, rumgammeln, das geht in Berlin sehr, sehr gut.

Was nervt Sie an Berlin?

Man muss Acht geben, dass man nicht dieselben Fehler macht wie in London oder Paris. Die Stadt darf nicht so teuer werden, dass die Leute, die sie lebendig machen – Familien, Angestellte, Lehrer – es sich nicht mehr leisten können, in ihr zu leben.

Was geschieht eher: Die Eröffnung des Hauptstadtflughafens BER oder Ihr 60. Geburtstag am 12. Dezember 2022?

Hoffentlich mein Geburtstag! Der Flughafen Tegel ist wunderbar. Aus dem BER sollte man ein Badeparadies oder ein Museum machen.