Berlin. Totensonntag und Weihnachtssongs? So etwas geht nur im Jazz. In dem Genre nimmt man es mit von Glühwein und Bratapfelduft aufgeladener Stimmung eh nicht so genau. Aber wenn Weltklasse-Trompeter Till Brönner improvisierend wohlbekannte Weihnachtsmelodien zerpflückt und variiert, bis man sie kaum mehr wiedererkennt, schwelgt man sowieso nicht mehr in irdischen, sondern in himmlischen Gefilden. Was dann doch wieder zu Weihnachten passt.
Damit jeder erkennt, dass es sich um ein Weihnachtskonzert handelt, zumindest in weiten Teilen, spielt Brönner zum Auftakt solo im Zuschauerparkett "Santa Claus Is Comin' in to Town". Respekt hat der blendend aussehende und aufgelegte 48-Jährige vor den Zuschauern, die jetzt im November zu seinem Weihnachtskonzert in die Verti Music Hall gekommen sind.
Mitte der Woche startete er seine erste Weihnachtstour "Better Than Christmas". Grund dafür ist sein 2007 erschienenes "The Christmas Album". Sein erfolgreichstes bislang. Da war es an der Zeit, live nachzulegen. Aber bitte nicht weihevoll, sondern im lässigen Brönner-Style. Mit etwas Fantasie kann man sogar die geschickt arrangierten Glühbirnen vor dunklem Bühnenhintergrund für eine festliche Weihnachtsdekoration halten.
Mit groovendem, coolem Sound präsentieren der Star-Trompeter und seine fabelhafte sechsköpfige Band kein klassisches Christmas-Event. Es gibt auch viele Songs fernab von Weihnachten. "Ol' Man River" etwa. Weil der Track einfach famos ist. Im Vordergrund stehen aber swingende amerikanische Standards. Wie "Wonderland". Herrlich kitschfrei gespielt.
Weil Weihnachten auch in den Tropen gefeiert wird, gibt es zudem elegante Latin-Rhythmen. "Silent Night" als wunderbarer Samba. Besonders grandios indes ist die Fusion von Soul und Jazz, für die der R'n'B-Sänger Frank McComb sorgt. Ein enger Freund von Till Brönner. Und ein begnadeter Performer.
Dann ist da natürlich noch Brönner selbst. Als Instrumentalist sucht er seinesgleichen. Wahlweise auf Trompete oder Flügelhorn klingt sein Spiel mal rau und erdig, spitz und hell, dann wieder samtweich und dunkel.
Till Brönner erweist sich als so charmanter wie witziger Gastgeber
Ganz nebenher erweist er sich noch als so charmanter wie witziger Gastgeber. Erzählt unter anderem, wie sein Vater, der auch im Publikum sitzt, ihn zu seinem ersten Live-Gig fuhr. Es war Karneval in Köln und Brönner stand kostümiert auf der Bühne. Mit Degen an der Seite, Federn geschmücktem Hut und Overknees-Stiefeln. Damals am absoluten Anfang seiner Laufbahn.
Geboren 1971 im niederrheinischen Viersen, hat Till Brönner bereits als Jugendlicher in Schul-Orchestern für Furore gesorgt. Er studierte Jazztrompete in Köln. Ging 1991 zur Rias Big Band. Sein erstes eigenes Album "Generations of Jazz" erschien 1993. Seither widmet er sich seiner Solo-Karriere.
Till Brönner spielte mit internationalen Jazzgrößen wie Dave Brubeck, Nils Landgren und Joe Sample. 2016 trat er auf Einladung des damaligen US-Präsidenten Barack Obama anlässlich des International Jazz Days unter anderem mit Aretha Franklin, Diana Krall und Sting auf.
Keine Frage, Till Brönner ist der erfolgreichste deutsche Jazzmusiker überhaupt. Was er wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis stellt. Mit einem Trompetenspiel wie vom anderen Stern. So werden Weihnachtssongs wie "Let it Snow", natürlich total verjazzt, selbst für Weihnachtshasser zum Genuss.