Wintergarten

Wo einst Houdini zauberte, glänzt eine Las-Vegas-Show

| Lesedauer: 4 Minuten
Ulrike Borowczyk
Wenn Gaetano Triggiano mit seinem Team auf der Bühne ist, verschmelzen Traum und Realität.

Wenn Gaetano Triggiano mit seinem Team auf der Bühne ist, verschmelzen Traum und Realität.

Foto: Ben Duentsch

„Zauber Zauber“ feiert im Wintergarten mit Gesang und Artistik eine umjubelte Premiere.

Berlin. Wie herrlich wäre es doch, wenn man sich die große Liebe herbeizaubern könnte. Für Vitaly eine seiner leichtesten Übungen. Er zeichnet einfach die Silhouette einer Frau auf einen schwarzbespannten Bilderrahmen und wedelt mit einem Tuch davor herum. Voilà, schon sitzt die schöne Elena vor ihm. Um ihr zu gefallen, muss Vitaly allerdings tief in die Trickkiste greifen. Denn Elena mag sexy Kleider. Gleich viermal wechselt sie mit seiner Hilfe ihr Outfit binnen Sekunden. Ganz nebenher verschwinden mal er, mal sie. Um plötzlich an unerwarteten Orten wieder aufzutauchen. Eine wahrlich aufregende Beziehung. Und ein ebensolcher Mix aus Großillusion und Quick Change, mit dem das Duo „Double Fantasy“ begeistert.

Nur einer von vielen magischen Momenten in der neuen Show „Zauber Zauber“, die nun im Wintergarten umjubelte Premiere feierte. Fünf Jahre ist es her, dass sich Illusionisten und Zauberer in der „Magical Mystery Show“ hier ein Stelldichein gaben. Seitdem haben die Zuschauer nach einer neuen Zaubershow gefragt. Und nicht locker gelassen, wie Crsto berichtet. Im weißen Frack führt er nicht einfach als nur als Conférencier durch den Abend. Er ist vielmehr ein Zeremonienmeister. Singt zauberhafte Songs wie „It’s A Kind Of Magic“ oder „Magical Mystery Tour“, live begleitet von Klarinettist und Saxofonist Florent Mammant. Oder er weitet mit poetischen Moderationen den Blick für Magie. Der ist das Haus übrigens seit Langem verbunden. Schon 1903 stand der legendäre Zauberkünstler Harry Houdini im Wintergarten auf der Bühne.

Regisseur Rodrigue Funke, früher einmal selbst Artist, hatte eine herkulische Aufgabe. Er musste die Nummern der Künstler aus neun Nationen so sorgsam inszenieren, dass sie ihre Magie voll und ganz entfalten. Denn natürlich wollen die Zuschauer immer herausfinden, wie die Tricks funktionieren. Zumindest in der Theorie. Auch, wenn die letztlich falsch ist. Dabei kann man Zauberei bekanntlich am besten genießen, wenn man nicht weiß, wie es geht. Dann ist sie schöner als die Realität.

Die Show trickst gleich zu Beginn, damit die Zuschauer entspannen und mit der Fragerei aufhören. Dafür gibt der Belgier Rafael mit schelmischem Augenzwinkern dem Vorurteil Futter, Magie sei eigentlich total unterkomplex. Er zelebriert urkomischen Zauberkasten-Hokuspokus für Magie-Eleven. Mit faltbarer weißer Taube und viel Konfetti. Zauberei lebt schließlich von gelungener Ablenkung.

Plötzlich zieht die Aufführung jedes Magie-Register

Danach schlurft erst einmal ein Bühnenarbeiter über die leere Spielfläche, während der Ton übersteuert die Ohren malträtiert. Ein Augenblick, der förmlich schreit: Wir sind totale Amateure, träumen nachts davon, Harry Potter zu sein, und bekommen keinen noch so lächerlichen Trick auch nur ansatzweise hin. Prompt tendiert die Erwartungshaltung des Publikums gegen null. Alle wiegen sich in der Sicherheit, alles zu durchschauen.

Doch weit gefehlt. Denn nun zieht die Aufführung jedes Magie-Register. Holt mit dem Großillusionisten Gaetano Triggiano Las Vegas auf die Bühne. Der Italiener beherrscht die große Geste. Zaubert ein Motorrad auf die Bühne, lässt seine Assistentin schweben oder aus ausweglosen Kästen verschwinden. Wie es ihm beliebt. Überraschungseffekt garantiert.

Ganz ohne Artistik geht es im Wintergarten natürlich auch in einer Zaubershow nicht. Bildern wohnt bekanntlich auch Magie inne, weiß Hula-Hoop-Performerin Sky. Die Britin malt mit ihren Reifen immer neue, flüchtige Impressionen und bringt so eine ganz andere Farbe in den abwechslungsreichen Abend. Der ist so wunderbar unterhaltsam, dass man für ein paar Stunden die Welt vergisst. Auch das ist Magie. Das Publikum wird sogar Teil eines Kartentricks. Keine ­Sorge. Niemand muss auf die Bühne. Außer Eliane Baranton. Die 74-Jährige erweist sich als Sensation. Wie alle Künstler der Show. Mehr wird an dieser Stelle nicht verraten.

Nur eines noch: Die größte Magie entfaltet ausgerechnet eine Nummer ganz ohne Magie. Nämlich Seifenblasen-Star Blur mit seinen schillernden Kugeln. Es gibt sogar Kung-Fu-Seifenblasen. Wer hätte das gedacht? Davon lässt man sich nur zu gern verzaubern.

Wintergarten Berlin, Potsdamer Str. 96, Tiergarten, Tel. 58 84 33, bis 26.1., nächste Vorstellungen: 16., 20., 23., 26.–28. 30.11. um 20 Uhr, 17., 24.11. um 18 Uhr, 22.11. um 16 21 Uhr, Infos unter www.wintergarten-berlin.de