Wir waren 15 Jahre alt und eine Gruppe Jugendlicher aus dem Vordertaunus. Unsere Eltern hatten uns zwei Wochen mit einer damals renommierten Sommerferien-Sprachschule in Eastbourne im Süden Englands spendiert.
Englisch sollten wir lernen. In Wahrheit lernten wir Rauchen, Trinken, Knutschen und Fummeln. Das fand während der Abend- und Nachtstunden in der angesagten Disko des Badeortes statt. Der Sound dazu kam von einem abgefahren geschminkten Typen, der kreischend eine Hymne schmetterte, die uns bis zum Abitur begleitete: School‘s out. Seither ist Alice Cooper ein Held.
Alice Cooper - ein ambivalenter Held
Zugegebenermaßen ein ambivalenter Held, denn die rockigen Songs wurden bei seinen Bühnenshows garniert mit Kunstblut, Tänzchen mit echten Boa Constrictor-Schlangen, Folterutensilien und Scheinhinrichtungen. Sehr schräg, aber die Musik hatte Wumms und war das Gegenstück zu Love Peace und Flowerpower.
Am Freitagabend rockte er zum 50-jährigen Schallplatten-Jubiläum die Max-Schmeling-Halle in Prenzlauer Berg. „Ol Black Eyes is back“ heißt die Jubiläumstour des stets mit massiv schwarz geschminkten Augen auftretenden Musikers. Bis Frühjahr 2020 führt sie ihn mit seiner Band um den halben Erdball.
Bevor der Schock-Rocker die Bühne betritt, glüht die Southern-US-Rock-Band „Black Stone Cherry“ mit fettem, lautem Sound vor. Dann kommt „his black majesty“ und legt für eineinhalb Stunden los. Mit immerhin 71 weiß der als Vincent Damon Furnier in Detroit geborene Musiker noch immer, wie man die Masse zum Beben bringt, auch wenn das Publikum überwiegend aus altgewordenen Kindern besteht, vor denen ihre Eltern sie vor vielen Jahren einmal gewarnt hatten.
Bühnenhorror und ein „Best of“-Potpourri
Natürlich haben sich Schock-Rock Bühnen-Shows im Laufe der Zeit weiterentwickelt, aber Musiker wie Marilyn Manson berufen sich durchaus noch auf den „Godfather of Shock-Rock“. Geblieben sind bei Alice Cooper die eingängigen stampfenden Riffs wie bei „No more Mr. Nice Guy“, vom 1973er-Album Billion Dollar Babies, dem erfolgreichsten Album des Grusel-Zampanos.
Einige Stücke später donnert er mit seiner Band auch das namensgebende Stück der Scheibe ins Halbrund. Der noch immer spindeldürre Copper gibt dem Publikum, was es wünscht. Jede Menge Bühnenhorror und ein gefeiertes „Best of“-Potpourri.
Alice Cooper wechselt mehrfach die Kostümierung
Dazu verwandelt er die halb besetzte Halle, der Oberrang war leer und abgedunktelt, in ein glitzerndes, glimmerndes, leicht kitschig wirkendes Spukschloss. Mit kräftiger Stimme startet er den Abend mit „Feed My Frankenstein“, weiter geht es mit Songs wie „Welcome To My Nightmare“ „Poison“, „I’m Eighteen“ und „Black Widow Jam “.
Energiegeladen tigert Cooper über die Bühne und wechselt mehrfach die Kostümierung, meist in schwarz, einmal in Zwangsjacke und am Schluss im roten und weißen Anzug, wenn das Gute über das Böse gewonnen hat. Denn eigentlich ist Alice Cooper eine ganz netter Kerl, seit 33 Jahren mit derselben Frau verheiratet. Zu Beginn seiner Tournee in Deutschland erklärte er, er habe Angst vor Spritzen. Die Scheintötung gehört trotzdem noch immer zur Show.
Grandios performte Coopers langjährige Tour-Gitarristin Nita Strauss begleitet von zwei weiteren Gitarristen, Bass und einem genialen Drummer.
Zwei Zugaben und tobende Halle
Zum Schluss der Show wurde der böse, schwarze Cooper zum Lied von „I Love The Dead“ mit der Schein-guillotiniert. Kurz darauf folgte die Auferstehung als guter Mensch im Cooper-Land. Noch zwei Zugaben, „Under my Wheel“ und „School’s Out“ (vermengt mit Pink Floyds „Another Brick in the Wall“), Luftballons, Glitzerschnipselkanone. Dann ist der Spuk vorbei.