Filmpreis

First Steps: Keine Sorge um den Filmnachwuchs

| Lesedauer: 7 Minuten
Peter Zander
Sie ist die Mutter des deutschen Nachwuchsfilms, auch wenn sie das nicht gerne hört: Andrea Hohnen.

Sie ist die Mutter des deutschen Nachwuchsfilms, auch wenn sie das nicht gerne hört: Andrea Hohnen.

Foto: Reto Klar

Am 9. September werden zum 20. Mal die First Steps in Berlin verliehen. Programmleiterin Andrea Hohnen nimmt damit ihren Abschied.

First Steps, das bedeutet Aufbruch. Absolventen deutschsprachiger Filmhochschulen können für diesen Preis ihre Abschlussfilme einreichen. Und ganz egal, ob sie dabei eine Auszeichnung erhalten oder nicht: Die Aufmerksamkeit der Branche ist ihnen sicher. In diesem Jahr sogar noch ein bisschen mehr als sonst: Weil die First Steps Jubiläum feiern. Am heutigen Montag werden sie bereits zum 20. Mal verliehen.

First Steps, das bedeutet aber just in diesem Jubiläumsjahr auch Abschied. Zumindest für eine, die von, so pathetisch muss man schon mal sein, der ersten Stunde an dabei war: Andrea Hohnen. Sie hat als Programmleiterin der First Steps mit dazu beigetragen, dass dieser Preis groß wurde und immer größere Beachtung gefunden hat.

Die Mutti des deutschen Nachwuchsfilms

Sie konnte auch von Anfang an die Zweifel zerstreuen, die mit dem Preis einhergehen: dass die Filmbranche damit nur talentierte Newcomer abgreifen wolle. Und sie wurde über die Jahre zu sowas wie die Mutti des deutschen Nachwuchsfilms. Auch wenn sie selbst sich nicht so sehen mag.

Sie sei, kontert sie darauf ein wenig verlegen, einfach in dieser glücklichen Situation gewesen, all diese Filme sehen zu dürfen, in denen es immer um Existenzielles ging. Die Filme waren nicht immer gut gemacht, manchmal stimmte auch etwas noch nicht ganz. Aber da hatte Andrea Hohnen so etwas wie eine pädagogische Ader, weil sie ein Talent erkannte und sich dafür einsetzte.

Durch Zufall an den Job gekommen

„Und wenn ich nach 20 Jahren zurückblicke und sehe, wie sehr das ,Kind’ First Steps gewachsen und eine eine coole Frau geworden ist, die jetzt auch ohne mich kann, dann bin ich schon ein bisschen stolz.“ Also doch: Das ist Mutterstolz.

Die First Steps wurden 1999 als private Initiative der Filmwirtschaft von den einflussreichen Filmproduzenten Bernd Eichinger und Nico Hofmann erfunden. Es war die Zeit, als neben den drei tradierten Filmhochschulen in München, Berlin und Potsdam weitere in Köln, Hamburg und Ludwigsburg hinzugekommen waren. Ein richtiges Aufbruchsklima war das damals, ein irrsinniger Output. Gleichzeitig gab es in diesen Jahren durch die vielen neuen privaten Fernsehsender einen großen Bedarf an Talenten.

Gleich die ersten Jahrgänge schrieben Geschichte

Eichinger und Hofmann, der damals bereits neben seiner Produzententätigkeit schon in Ludwigsburg dozierte, wollten den jungen Filmemachern einen langen roten Teppich ausrollen und holten dafür auch private Partner mit ins Boot. Andrea Hohnen programmierte damals europäische Spielfilmwettbewerbe in Ludwigsburg und Stuttgart gund war in der Hochschul- und Festivalbranche bestens vernetzt. Hofmann hatte sie gefragt, ob sie für First Steps nicht ein Konzept schreiben wolle. Das tat sie dann. Und blieb gleich ganz.

Schon die ersten beiden Verleihungen 2000 und 2001 schrieben Geschichte, weil dort Talente wie Vanessa Jopp, Valeska Griesebach, Hans Weingartner oder der spätere Oscar-Preisträger Florian Gallenberger ihre ersten Werke vorstellten.

Heute ist er der Nachwuchspreis der Filmakademie

Die ersten Jahre standen noch unter dem Verdacht, die Branchenriesen wollten sich nur die besten Talente abziehen wollten. Ein Verdacht, der schnell zerstreut werden konnte. Denn von Anfang an haben unabhängige Jurys über die Auszeichnungen in inzwischen acht Kategorien und die daran angeknüpften Preisgelder in Höhe von insgesamt 115.000 Euro entschieden.

Inzwischen wird der Preis auch ganz offiziell von der Deutschen Filmakademie mitveranstaltet, die auch über die Deutschen Filmpreise entscheidet und die First Steps quasi als deren Nachwuchspreis betrachtet. Und längst geht es nicht mehr nur um die First Steps, inzwischen werden auch die Second Steps betreut, also die zweiten Schritte der Filmemacher, die ja, gerade nach einem fulminanten Start, meist die schwierigsten sind.

200 Einreichungen pro Jahr

Um den Filmnachwuchs muss man sich wahrlich keine Sorgen machen. Das zeigt das Jubiläumsjahr einmal mehr mit so eigenwilligen Kandidaten wie „Das melancholische Mädchen“ oder „Alles ist gut“, die bereits auf Festivals Erfolge feierten und auch schon den Weg ins Kino gefunden haben.

Da neben den tradierten deutschsprachigen Filmhochschulen (neben den bereits genannten noch die in Zürich und Wien) auch viele Medienhochschulen Filmkurse anbieten und First Steps pro Jahr um die 200 Einreichungen erhalten, bleibt nur die eine Sorge: Wo sollen die alle unterkommen?

Die Frage war zwischenzeitlich durchaus berechtigt. Jetzt aber gibt es, auch dank der gesteigerten Produktion von Serienformaten, einen solchen Bedarf, dass man schon händeringend nach Kräften aus dem Ausland wirbt – weil man hier einfach keine mehr kriegt. „In der Branche“, so Hohnen, „herrscht eine Art Vollbeschäftigung.“ Auch da kann die Mutti des Nachwuchsfilms, die sich nicht so sieht, aber sich doch um ihre Babys sorgt, ganz beruhigt sein.

Hoffnung auf einen Generationenwechsel

Die letzte Verleihung unter ihrer Ägide wird für Andrea Hohnen hochemotional. Auch wenn sie das jetzt gern noch ein bisschen verdrängt. Die Entscheidung , jetzt zu gehen, sei aber genau richtig, findet die 63-Jährige. Die Nachfolge soll auf jeden Fall eine Doppelspitze werden, um den immer vielfältigeren Anforderungen der First Steps gerecht zu werden. Und Hohnen erhofft sich dadurch auch einen Generationswechsel. „Ich wünsche mir, dass jetzt Jüngere übernehmen, die halb so alt sind wie ich“, sagt sie.

Zum Abschied ein Ehrenpreis für die Programmleiterin

„Es wäre gut, das Projekt mal neu zu überdenken und anzugehen, von Leuten, die so denken und ticken wie unsere Klientel, die jungen Filmschaffenden.“ Natürlich werde sie nicht alles stehen und liegen lassen und weiterhin ansprechbar sein – „quasi per Standleitung“. Aber die Kinder müssen halt auch mal auf eigenen Beinen laufen lernen. Und Andrea Hohnen freut sich auch mal auf einen freien Sommer. Den ersten nach 20 Jahren.

Nur eins bereitet ihr noch etwas Unbehagen. Bei den 20. First Steps im Theater des Westens wird der Ehrenpreis an sie verliehen. Das könnte man als Medien-Inzest missverstehen, ist aber höchst verdient. Hohnen geniert das aber ein wenig. Das hat sie, wie sie zugibt, „kalt erwischt“. Und zum ersten Mal in zwei Jahrzehnten gibt es da einen Teil der Veranstaltung, von dem sie, die gern die Kontrolle über alles hat, nicht weiß, was passiert.