Deutsche Oper

Nach Absagen: Nun sang Anna Netrebko doch in Berlin

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Matthias Nöther
Anna Netrebko in der Rolle der Adriana Lecouvreur (Archivbild).

Anna Netrebko in der Rolle der Adriana Lecouvreur (Archivbild).

Foto: Barbara Gindl / dpa

Anna Netrebko begeistert mit „Adriana Lecouvreur“ in der Deutschen Oper mit meisterlicher Belcanto-Kunst.

Berlin. Anna Netrebko ist tatsächlich zur konzertanten Vorstellung von „Adriana Lecouvreur“ in die Deutsche Oper gekommen. Die berühmte Sängerin setzt auch gleich das gesamte Publikum unter Strom – mit einem gesprochenen Monolog. Denn die Titelheldin ist schließlich eine Schauspielerin des 18. Jahrhunderts. Aus dieser Gestalt schuf der italienische Komponist Francesco Cilea Anfang des 20. Jahrhunderts im Stil des damals modernen Verismo seine einzige bekannte Oper.

Die komplizierte Handlung wird von ihm auf ein Feuerwerk großer Gefühle reduziert, und das ist es wohl, was auch Anna Netrebko gefällt. Um es vorweg zu nehmen: Ihre Stimme ist beeindruckend intakt. Von großer Durchschlagskraft, mit weichen Tonanfängen und – wie sie gleich im ersten Akt beweist – meisterlich zu der speziellen Belcanto-Kunst des „Messa di voce“ fähig, des An- und Abschwellens der Lautstärke auf einem lang gehaltenen Ton.

Kurz: Nach der vom Festivalpublikum fast mit Wut aufgenommenen Absage in Salzburg für die gleiche Partie hat Anna Netrebko hörbar auf die zwei Vorstellungen in Berlin – die zweite wird am Sonnabend folgen – hingearbeitet. Das will wohl auch so sein, denn schließlich war es vermutlich Netrebko, die diese Partie den großen Opernhäusern der Welt angeboten hat.

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Ballung von Sänger-Dezibel

Nicht nur für sie mit ihrer mittlerweile dunkel timbrierten, in der Mittellage höchst eindrucksvoll klingenden Stimme ist die Adriana wie gemacht, sondern sie ist auch auf das Ehepaar Netrebko und Yusif Eyvazov zugeschnitten. Der Ehemann gibt den Herzog Maurizio, der ob des Standesunterschieds seine Liebe zur Schauspielerin Adriana verheimlichen muss. Olesya Petrova gibt mit extra großer Stimme die fürstliche Rivalin von Boullion.

Es ist wirklich kein leiser Abend, auch das vorzüglich begleitende Orchester der Deutschen Oper unter Leitung von Michelangelo Mazza kann bei der hier präsentierten Ballung von Sänger-Dezibel in die Vollen gehen. Auch die Solistinnen und Solisten der kleineren Rollen, darunter der als verhinderter ältlicher Liebhaber Michonnet vorzüglich spielende Allessandro Corbelli sowie Burkhard Ulrich als Abbé von Chazeuil, sind mit erheblich guter Tagesform, Tragfähigkeit und auch Schönheit der Stimmen ausgestattet.

Darstellung bleibt ein wenig hölzern

Anna Netrebko bekennt mittlerweile, dass sie am liebsten konzertant auftritt – und sich offenbar auch ihre Stücke, mit dem Ehemann reisend und singend, selbst aussucht.

Darstellerisch bekommt es an der Deutschen Oper dem Stück nicht immer, dass sich die Starsopranistin keine Mühe mehr geben will, sich in die Konzeptionen fremder Regisseure einzudenken. Bei aller stimmlichen Glut und Vielseitigkeit in der musikalischen Gestaltung bleibt die Darstellung auch der höchst professionellen Ebene ein wenig hölzern. Musikalisch erlebt der voll besetzte Saal der Deutschen Oper allerdings einen wirklich großen Abend.