Kabarett

Ein perfekter Neustart für die „Stachelschweine“

| Lesedauer: 3 Minuten
Ulrike Borowczyk
Frank und Caroline Lüdecke sind die neuen Betreiber des Kabaretts „Die  Stachelschweine".

Frank und Caroline Lüdecke sind die neuen Betreiber des Kabaretts „Die Stachelschweine".

Foto: Jörg Krauthöfer / FUNKE FOTO SERVICE

Frisch gestrichener Humor: Mit „Viel Tunnel am Ende des Lichts“ bringt Satiriker Frank Lüdecke neuen Biss auf die Bühne.

Tobias will ja die 103 Meter in die Tiefe springen. Er hat einfach genug. Sein Betrieb ist pleite. Kaputt gemacht von der Bürokratie und veganen Klima-Aktivisten. Keiner will noch Sülze in Dosen kaufen. Auf vegane Produkte umzustellen, kommt für Tobias aber nicht in Frage. Vegane Wurst ist keine Wurst. Dann lieber der finale Abgang. Aber nicht, wenn ihm andere zusehen. Wie Melissa und Alexander, die sich offenbar auch vom Dach des Europa-Centers stürzen wollen.

Der Beginn des Jubiläumsprogramms zum 70. Geburtstag der Stachelschweine, das am Sonnabend Premiere feierte, erinnert an Nick Hornbys Roman „A Long Way Down“. Und doch ist „Viel Tunnel am Ende des Lichts“ ganz anders. Wie vieles an diesem Abend. Schon beim Betreten des Traditionskabaretts fällt einem der Geruch von frischem Holz und Farbe auf. Und tatsächlich: Das Foyer wurde komplett umgestaltet.

Neugier auf die nächste Pointe

Frank und Caroline Lüdecke, die neuen Leiter des Hauses, machen Ernst mit einem echten Neuanfang. Nicht nur das Ambiente kommt im modernen Look daher. Als Künstlerischer Leiter beweist Star-Satiriker Frank Lüdecke mit der neuen Produktion einmal mehr, dass er der beste Autor und Regisseur für Ensemble-Kabarett im Lande ist. Bringt er doch reichlich Erfahrung vom Düsseldorfer Kom(m)ödchen, der Distel und dem Wühlmäuse-Ensemble mit. Auf der Bühne geht es bissiger, lustiger und rasanter zu als bisher.

Frischer Wind weht durch das Theater. Dafür sorgt auch das junge Ensemble, bestehend aus Melissa Anna Schmidt, Steven Klopp und Julian Trostorf. Klar, sie können klasse spielen, singen, musizieren. Was aber noch wichtiger ist: Sie machen permanent neugierig auf die nächste Pointe. Davon gibt es reichlich. Obwohl auch Lehrerin Elena sich umbringen möchte.

Schnell bricht großer Streit aus

Ihre Klasse, die 9c, unterrichtet sie eigentlich gern. Aber stattdessen muss sie sich um hausgemachte Probleme ihrer Schüler kümmern. Vincent etwa kommt nicht einfach jeden Tag eine halbe Stunde zu spät. Er pflegt ein flexibles Zeitmanagement, was sein Papi toll findet. Der nächste Schüler hat ADHS, ein anderer ist bekifft und der dritte spricht kein Deutsch. Elena fragt sich, wofür sie überhaupt studiert hat? Ein Praktikum bei der Methadonambulanz oder eine Grundausbildung bei der Polizei hätten es auch getan. Nur hat sie das laut auf dem Elternabend ausgesprochen. Seitdem ist sie suspendiert.

Komplettiert wird das suizidale Trio von Klimaforscher Alexander. Er will ein Zeichen gegen den Konsum setzen und das Europa-Center in die Luft sprengen. Erst einmal kriegen sich drei aber gewaltig in die Haare. Streiten über Politik, Globalisierung, Fake News, die AfD, den Klimawandel. Dabei fallen die drei immer wieder aus ihren Bühnenfiguren raus. Melissa Anna Schmidt beschimpft schon mal das Publikum. Es wird auch über anti-illusionistisches Theater diskutiert. Unerwartet im Kabarett. Und ungemein witzig. Ein perfekter Neustart für die Stachelschweine.

Stachelschweine im Europa-Center, Tauentzienstr. 9-12, Charlottenburg Tel. 261 47 95, bis 31.12., nächste Vorstellungen 3.-6.9. um 20 Uhr, 7.9. um 16 Uhr, 8.9. um 18 Uhr, Tickets ab 21 Euro