Haus der Kulturen der Welt

Bei Gilberto Gil liegt das Spreeufer am Atlantik

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Sebastian Blottner
Gilberto Gil auf der Bühne.

Gilberto Gil auf der Bühne.

Foto: Hans Punz / picture alliance / HANS PUNZ / APA / picturedesk.com

Bei der „Wassermusik“ im Haus der Kulturen der Welt trat am Sonntag die brasilianische Musikerlegende Gilberto Gil auf.

Berlin. Wenn eine Musikerlegende wie Gilberto Gil die Bühne betritt, kann im Prinzip nichts schiefgehen. Kommen Sonnenuntergang und Urlaubsstimmung an der Spree hinzu, hat der weltweit verehrte Brasilianer sowieso alle Trümpfe in der Hand. Am Sonntagabend trat er im Haus der Kulturen der Welt auf, und der Sandstrand des Atlantik lag gefühlt plötzlich direkt am Spreeufer, gleich unter der Terrasse.

Wer zur „Wassermusik“ in das Haus der Kulturen der Welt geht, bekommt zweierlei ganz sicher. Einerseits eine für Berliner Open Airs einzigartige Dachgartenatmosphäre inklusive Sonnenuntergangs. Andererseits ein ausgesuchtes Programm, das Experten wie Laien glückselige Momente verschafft. Regelmäßig werden Legenden wie Gil verpflichtet, obendrein stets bei erschwinglichen Eintrittspreisen. Oft genug sind es aber auch in Deutschland so gut wie unbekannte, in ihrer jeweiligen Heimat jedoch namhafte, wenn nicht gefeierte Künstler, die das Festival dankenswerter Weise nach Deutschland holt - wo sie sonst kaum ein Veranstalter bezahlen könnte.

Das Konzert am Sonntag hatte beides zu bieten. Im Vorprogramm von Gil trat zunächst Miroca Paris von den Kapverden auf. Er empfiehlt sich als äußerst hörenswerter Vertreter einer großartigen Musikkultur, die mit Stars wie Bonga oder Cesária Évora einen weltweiten Siegeszug antrat. Paris’ stilistische Nähe zu ihnen ist unüberhörbar und nicht zufällig. Er hat Évora auf vielen Tourneen begleitet und beendet sein Set auch mit deren Song „Sodade“. Den Namen dieses Perkussionisten und Gitarristen sollte man sich merken. Ein Soloalbum liegt bereits vor, ein zweites ist in Planung.

Fehlt noch die Legende. Gilberto Gil ist kein Unbekannter in Berlin, mit einer gewissen Regelmäßigkeit ist er in der Vergangenheit zu erleben gewesen. Wer sieht, wie der 77-Jährige den Bühnenrand abläuft, „I can’t hear you“ ins Mikrofon ruft, das Publikum anfeuert und schlussendlich noch einmal zum Schlagzeuger wandert, um den gemeinsamen Abschlussakkord akkurat in die E-Gitarre zu schrammen, der glaubt allerdings kaum, dass eben jener Gilberto Gil einst an einem burlesken „Protestmarsch gegen die E-Gitarre“ teilnahm.

Mitte der 1960er-Jahre war das, in São Paulo, und es blieb nicht mehr als eine Anekdote. Doch sie illustriert recht gut, welche Wurzeln Gil hat, dessen Lebenswerk seitdem fast unüberschaubar geworden ist und die populäre brasilianische Musik Jahrzehnte lang geprägt hat. Ganz allein, mit einer Akustikgitarre um den Hals, überzeugt er sein Publikum immer noch, wie er mit einem Lied über die Endlichkeit des Seins beweist. So poetisch wie er kann kaum jemand große Dinge mit einfachen Worten besingen.

Abgesehen von solchen Soloeinlagen steht ihm den größten Teil des Abends eine siebenköpfige Band zur Seite, die gekonnt Gils klug auskomponierten, chillig-verjazzten Pop umsetzt. Je später der Abend, desto ekstatischer wird dabei die Stimmung und zwei, drei Evergreens gegen Ende bilden den lauthals umjubelten Abschluss. Wer’s verpasst hat - im thematischen Rahmen „Black Atlantic Revisited“ hat die Wassermusik bis Ende Juli noch einige Konzerte zu bieten.