Berlin. Am vierten Abend des Classic Open Air am Gendarmenmarkt begeistern vier Pianisten mit Esprit und überraschenden Interpretationen.

Man könnte fast eine Nadel fallen hören auf dem Gendarmenmarkt. So still und konzentriert lauschen die Zuschauer den Musikern. Es scheint fast so, als hätten sich im Publikum echte Kenner zum Classic Open Air zusammen gefunden, um ein spezielles Instrument zu feiern. Gespielt von vier absoluten Virtuosen. Zwei Flügel stehen auf der Bühne vor dem Konzerthaus. Mehr braucht es nicht, um das Publikum tief zu berühren, es in Melodien schwelgen zu lassen und zu begeistern.

Es ist der vierte Abend des Festivals. Kühl von den Temperaturen her, aber immerhin regnet es nicht wie am Vortag. Die Zuschauer sind daher sichtlich gut aufgelegt. Viele von ihnen Wiederholungstäter. Die Hamburger Musiker waren schließlich bereits zwei Mal zu Gast mit ihrem Programm „Vier Pianisten - Ein Konzert“. Das fällt mit jeder Neuauflage anders aus. Je nachdem, was die Vier bei den Proben aushecken.

Joja Wendt: ein Wanderer zwischen den Genres

Im Mittelpunkt des Quartetts steht Joja Wendt, der vor einigen Jahren die Idee dazu hatte. Der Wanderer zwischen den musikalischen Genres. Ein Allrounder, der so ziemlich alles kann. Klassik, Pop, Jazz. Und er moderiert nach den „Highlights der Klassik“ auch das vorletzte Konzert des Festivals. Gewohnt charmant und mit viel Esprit.

Ihm zur Seite stehen drei Spezialisten: Der Weltklasse Boogie-Woogie-Pianist Axel Zwingenberger. Jazz-Poet Martin Tingvall mit seinen traumschönen Melodien. Dabei erinnern seine Kompositionen an Keith Jarrett. Umkreisen ein eingängiges Thema, das vorzüglich improvisierend variiert wird. Und selbstredend Klassik-Interpret Sebastian Knauer mit seinen eleganten, rasanten Läufen. Wie er mit Beethovens „Mondscheinsonate“ grandios beweist.

Jeder hat seinen eigenen Sound. Den haben die Meister-Pianisten schon zum Auftakt vorgestellt. Mit völlig unterschiedlichen Interpretationen von Chopins „Étude Opus 10 Nr. 12“, je nach entsprechendem Musikstil. Solo, im Duo und zu viert bieten sie vor der prachtvollen Kulisse zwischen Deutschem und Französischem Dom ein beeindruckendes Konzert-Ereignis.

Selten hört man Erik Saties Stück „Gymnopédie Nr. 2“ so wie hier. Knauer spielt das Original. Wendt füllt die Akkorde der somnambulen Miniatur am zweiten Flügel auf. Für den Schluss-Akkord sorgt ungewollt die Hupe eines Autos.

Sogar ein Song von Ed Sheeran wird gespielt

Begann der Abend noch ganz klassisch, wird es im Verlauf immer jazziger und Boogie-lastiger. Joja Wendt performt sogar kurz Ed Sheerans „I’m in Love with your Body“. Wobei der Hit ohne Gesang als Tasten-Cover mit Blue Notes gespickt deutlich an Klasse gewinnt. Natürlich heizt auch Axel Zwingenberger ein. Er schüttelt seine Akkorde mit viel Drive aus dem Handgelenk. Im rollenden Achtel-Beat mit wunderbaren Blues-Anleihen.

Der Abend mündet letztlich im Jazz. Dabei wird improvisiert, was das Zeug hält. Wie bei Martin Tingvalls „The Rocket“. Kraftvoll achthändig. Unfassbar gut.