Das Traditionsfestival ist dafür bekannt, dass es keine Berührungsängste zwischen U- und E-Musik kennt.
Natürlich beherrscht Joja Wendt Isaac Albéniz' "Asturias" perfekt. Diesen Hauch von andalusischem Flamenco, eingebettet in einen unwiderstehlichen Rhythmus. Den spielt die Anhaltinische Philharmonie Dessau mit Verve. Joja Wendt indes beweist einmal mehr, dass er ein fulminanter Jazzpianist ist. Seine Pianoläufe verändern sich plötzlich und grooven regelrecht.
Sie passen damit wunderbar zum zweiten Abends beim Classic Open Air auf dem Gendarmenmarkt. Das Traditionsfestival ist schließlich dafür bekannt, dass es keine Berührungsängste zwischen U- und E-Musik kennt. Auch bei den "Highlights der Klassik", die auf dem Programm stehen, ergänzen sich die verschiedenen musikalischen Stile entweder aufs vorzüglichste oder sie vereinen sich auf brillante Weise.
Der Hamburger Joja Wendt begeistert nicht nur als einer von fünf Solisten. Er führt auch geistreich durch den abwechslungsreichen Abend. Der Jazz-Pianist und Komponist weiß zu jedem Stück und zu jedem Solisten etwas zu erzählen. Verpackt Informatives in charmante Moderationen.
Der erste Teil auf der prachtvoll illuminierten Bühne vor dem Konzerthaus wird dominiert von Georges Bizet. Vor allem den weltberühmten Melodien seiner Oper "Carmen", deren "Vorspiel" den Abend eröffnet. Mindestens ebenso schwungvoll erklingt das "Torerolied" vom Kavalierbariton Manos Kia und dem Ernst Senff Chor.
Neben bekannten Klassik-Hits gibt es aber auch Stücke wie Pablo de Sarastes "Zigeunerweisen". Eine bemerkenswerte Komposition mit außerordentlichem Tonspektrum. Anspruchsvoll mit verschiedenen Tempi, variierder Dynamik und Flageoletttönen. Bei denen lässt der virtuose Violinist Yury Revich seine Saiten zart in den allerhöchsten Höhen schwingen. Und die 300 Jahre alte Stradivari antwortet mit leisem Seufzen. Unfassbar gut.
"Sommer" aus "Vier Jahreszeiten"
Später dann erfreut Revich mit seinem rasanten Spiel noch ein zweites Mal das Auditorium mit dem "Sommer" aus Antonio Vivaldis "Vier Jahreszeiten". Aber auch optisch wird viel geboten auf Europas schönstem Platz zwischen Deutschem und Französischem Dom. Die Energy Dancers, als Showballett eigentlich bekannt für ihren Revuetanz, tanzen ganz klassisch Peter Tschaikowskys "Blumenwalzer" aus dem "Nussknacker".
Im Vordergrund steht aber selbstredend die Musik. Die Anhaltische Philharmonie Dessau und ihr Chef-Dirigent Markus L. Frank sind dabei in allen Genres zuhause. Erweisen sich als ein Orchester mit phänomenaler Klangbreite. Absolut fantastisch sind die Blechbläser bei der "Ouvertüre" aus Franz von Suppés "Leichter Kavallerie", bei der man die Pferde förmlich auf der Jagd galoppieren hört.
Die Musiker begleiten auch Countertenor Hagen Matzeit ganz stilecht bei Georg Friedrich Händels "Cara Sposa". Auf Bratschen und dem Cembalo. Letzteres gespielt von Markus L. Frank. Matzeit, der auch Bariton ist, interpretiert zudem mit seiner wandelbaren Mehroktaven-Stimme auf unnachahmliche, witzige Art Jacques Offenbachs "Arie der Königin". Wohl kaum ein anderer Sänger vermag es, so elegant zwischen weiblicher und männlicher Stimmlage zu wechseln.
Romantischer Roboter
Für unwiderstehlich weibliche, sensationelle Koloraturen sorgt allerdings Sopranistin Katarzyna Dondalska in der Arie der Olympia. Einem Aufziehautomaten aus Offenbachs "Hoffmanns Erzählungen". Der Rolle des Roboters aus der Ära der Romantik haucht sie humorvoll Leben ein. Weil Sommer ist, singt sie ungeprobt mal eben Georg Gershwins "Summertime". Swingt mit Koloraturen. Eine wahre Ausnahme-Künsterin.
Dann, beim "Cancan" von Offenbachheizen nicht nur die Girls der Energy Dancer in trikolore-farbenen Kostümen ein. Es schießen auch Feuersäulen in den Abendhimmel. Ein weiterer Höhepunkt an diesem an Highlights nicht gerade armen Abend ist eine spontane Einlage von Hagen Matzeit und Joja Wendt. Sie performen den Queen-Klassiker "We Are The Champions". Ein musikalischer Triumph. Quittiert mit donnerndem Applaus.
Krönender Abschluss ist natürlich ein Feuerwerk. Schöner könnte der gelungene Abend nicht enden.