Als David Hockney 1968 den Schriftsteller Christopher Isherwood und den Maler Don Bachardy in ihrem gemeinsamen Haus in Hollywood malte, war das geradezu revolutionär. Es war ein klassisches Ehepaar-Porträt. Aber eben mit zwei Männern. Die beiden waren bereits 1953 zusammengezogen und lebten ihre Beziehung offen aus.
Zu einer Zeit, als man Homosexualität gemeinhin noch verheimlichte oder gar sogenannte „Lavendelehen“ mit lesbischen Frauen schloss, um sie zu vertuschen, war das ein echter Skandal. Skandalös war damals auch, dass Bachardy 30 Jahre jünger war als Isherwood und im Jahr, als sie sich kennen lernten, gerade mal 18 war.
The First Couple: das erste schwule Paar
15 Jahre später, als Hockney seine Staffelei in ihrem Heim aufbaute, waren die Moralvorstellungen in Hochzeiten der Hippie-Bewegung schon deutlich laxer, aber was die Akzeptanz von Schwulen anging, musste erst noch Stonewall und die daraus entstehende Schwulenbewegung kommen. Ein Eheporträt zweier selbstbewusst dreinschauender Männer war da noch eine echte Provokation.
Amistead Maupin, Kultautor der „Stadtgeschichten“, schwärmte präsidial, die beiden seien „the first couple“ gewesen. Das berühmte Doppelporträt war ein frühes Plädoyer für die „Ehe für alle“, als es dieses Motto noch nicht mal gab. Und Isherwood wurde zu einer Ikone, einer Galionsfigur der Schwulenbewegung.
Nun ist im Schwulen Museum Berlin eine Ausstellung über dieses außergewöhnliche Künstlerpaar zu sehen. „My Dearest Sweet Love: Christopher Isherwood & Don Bachardy“ zeigt Fotos und Collagen, die der mit ihnen befreundete Fotograf Wayne Shimabukuro von ihnen angefertigt hat, zeigt auch viele eigene, in Europa noch nie gezeigte Werke des Malers Bachardy.
Zwei Hockneys als Hauptattraktion
Als Krönung sind auch zwei Bilder von David Hockney dabei, darunter ein ganz frisches Ölgemälde von 2018, ein Porträt von Bachardy aus Hockneys Privatsammlung, das überhaupt noch nie öffentlich zu sehen war.
Noch nie, das darf man hier getrost öfter schreiben: Die Ausstellung, die nicht nur die 40-jährige Beziehung, sondern auch die Kunst der beiden Männer thematisiert, ist weltweit die erste. Sie war so noch nicht mal in den USA zu sehen.
Pastöse Männer-Akte, deftiger Briefwechsel
Das überrascht schon. Macht aber auch wieder Sinn, weil der Name Isherwood nun mal untrennbar mit Berlin verbunden ist. War er doch einst 1929 mit 24 Jahren hierhergezogen und hatte seine Erfahrungen dort in dem Roman „Lebwohl, Berlin“ festgehalten, was dann als Musical und besonders als Film „Cabaret“ ein Welterfolg wurde. Seit 2004 wird „Cabaret“ auch alljährlich in Berlin gespielt, immer im Sommer, in in diesem Jahr ab 12. Juli im Tipi am Kanzleramt.
Einer der vier Teile der Ausstellung ist deshalb auch Berlin gewidmet, wohin Isherwood explizit „wegen der Jungs“ hingezogen war. Da hängen dann Szenenfotos des Films, Fotos von der Berliner „Cabaret“-Premiere 2004 mit dem schwulen Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit im Publikum oder Fotos, die Isherwood selbst in Berlin zeigen. Dazu eine Tanzmarke aus dem Vergnügungslokal „Eldorado“, das als Vorbild für den „Kitkat-Club“ in „Cabaret“ diente. Oder ein Theaterplakat aus dem Jahr 1928, das ganz offensichtlich die Filmausstatter beim Outfit von Liza Minelli als Sally Bowles inspirierte: „Ich bin die Marie von der Haller-Revue“. Das sind Kleinode, selbst für Berlin-Kenner.
Die anderen Teile sind dann ganz dem Paar gewidmet, das seine Beziehung in jeder Hinsicht offen auslebte und auch Sex mit anderen hatte. Für Isherwood, der sich als praktizierender Hindu dem Ideal des Nichtbindens verschrieben hatte, war diese Art der Beziehung „meine Vorstellung vom ,irdischen Paradies’“. Isherwood unterstützte seinen Partner bei dessen Weg, zu sich selbst und zu seiner Kunst zu finden.
Berühmte Bilder von Isherwoods langsamem Sterben
Bachardy machte sich bald einen Namen als Porträtmaler von Prominenten aus Los Angeles, von Filmstars wie Bette Davis bis zu Komponisten wie Igor Strawinsky. Berühmt werden sollte dann die Serie von Schwarzweißlithographien, die Bachardy 1986 von Isherwood anfertigte und die die letzten sechs Monate vor seinem Krebstod dokumentierten. Bachardy ist in der Ausstellung aber auch mit ganz anderen Werken präsent, pastösen, kräftigen Männer-Akten oder Porträts von amerikanischen Schwulenaktivisten. Lauter Bilder, die noch nie in Europa zu sehen waren.
Hockneys berühmtes Doppelporträt von 1968 ist dabei nur indirekt dabei. Als Titelbild des Katalogs „100 Jahre Schwulenbewegung“ zur gleichnamigen Ausstellung im Schwulen Museum 1997. Gleich daneben aber hängt eine Lithographie, die Hockney acht Jahre später von dem Paar anfertigte. Nun noch privater, im Badezimmer und mit Morgenmänteln, und ironisch in umgekehrter Anordnung wie bei seinem Ölgemälde.
Darüber hinaus kann man das Paar auch multimedial kennenlernen. In einer Audiostation werden die teils deftigen Briefe zwischen Isherwood und Bachardy vorgelesen, die sich dabei als „Horse“ (Pferd) und „Cat“ (Katze) anredeten.
Zusatz-Ausstellung im September
Außerdem lädt das Museum zusammen mit dem Kunst-Netzwerk Instinct.Berlin zehn Künstler dazu ein, ihre eigenen Reflexionen auf die Ausstellung zu entwerfen. Das Village Berlin wird ihnen dafür über den gesamten August hinweg Räume zur Verfügung stellen. Im September werden die Ergebnisse dann im Rahmen der Instinct-Ausstellung „The Cat and the Horse“ im Village präsentiert.
Bachardy hat nach Isherwoods Tod 1986 die Christopher Isherwood Foundation in Los Angeles gegründet. Er sorgt auf diese Art dafür, dass Isherwoods Bücher weiter in Druck bleiben, er betrieb auch die Publikation der Tagebücher oder ihres Briefverkehrs und hat auch die Berliner Ausstellung maßgeblich mit vorangetrieben. Selbst anschauen wird er sie sich allerdings nicht. Der 85-Jährige – der zuletzt 2015 in Berlin zu Gast war und damit die Ausstellung überhaupt erst angeregt hat – malt zwar bis heute in seinem Atelier, geht aber schon seit langem nicht mehr auf Reisen.
Schwules Museum, Lützowstr. 73, Tiergarten. Tel: 6931172. Mi-Mo, 14-18 Uhr, Do 14-20 Uhr, Sa 14-19 Uhr. Bis 24. August