Berlin. Svealena Kutschkes Stück über eine Pankower Hausgemeinschaft findet in András Dömötör den idealen Regisseur.

Ein Pankower Hinterhof wurde zum Glücksfall für die Autorentheatertage am Deutschen Theater. Das kam so: Aus 113 eingereichten Texten hatte die Jury drei ausgewählt. In diesem Jahr allesamt von Frauen geschrieben. Die Gewinnertexte werden traditionell zum Abschluss dieses Festivals für Gegenwartsdramatik in einer „Langen Nacht“ hintereinander als Uraufführungen gezeigt und gehen danach ins Repertoire der am Festival beteiligten Häuser. Eins bleibt auch am Deutschen Theater (DT) in Berlin. Das spielt dieses Mal in Pankow.

Text und Regie greifen gut ineinander

Das DT hat mit Svealena Kutschkes „Zu unseren Füßen, das Gold, aus dem Boden verschwunden“ den stärksten Text bekommen. Und ihn in die Hände des Regisseur András Dömötör gelegt. Man hat gelernt aus dem letzten Jahr. Da hatte der Textzerleger Sebastian Hartmann das Stück „In Stanniolpapier“ von Björn SC Deigner derart zerrupft und perspektivisch verschoben, dass sich Jury und Autor von der Umsetzung distanzierten. Bei András Dömötör geschieht das Gegenteil: Er lässt den ohnehin guten Text von Svealena Kutschke mit einer klaren, zurückgenommenen Regie noch ein bisschen heller leuchten. Nichts lenkt ab von der Sprache, von den gut gearbeiteten Figuren, die mitten unter uns in der kleinen DT-Box rund um den rot gemusterten Teppich im Stuhlkreis sitzen. Wir werden Teil dieser Pankower Hausgemeinschaft, sitzen neben Holm, der zu viel säuft, gegenüber von Ahmed und seiner Ex-Frau Sarah, lassen uns erzählen, wie sich das lesbische Paar Darija und Kim kennengelernt hat. Nur den Geflüchteten Nabil, der auch im Haus lebt, lernen wir nicht persönlich kennen. Er ist die Projektionsfläche für die Verantwortung, die alle mit ihren Lebensgeschichten herumtragen und für ihre Unfähigkeit, sich mit dem auseinanderzusetzen, was ihnen fremd scheint.

Eine märchenhafte Bühne

Text und Regie greifen hier wunderschön ineinander und verbinden sich zu einer grandios geglückten Inszenierung.

Die beiden anderen Uraufführungen erreichen nicht dieses Niveau. Für „Entschuldigung“ von Lisa Danulat lässt Regisseur Peter Kastenmüller vom Zürcher Neumarkt-Theater zwar eine opulent märchenhafte Bühne bespielen, aber die Parallelerzählung über zwei Frauen bekommt er nicht in den Griff. Die eine wird eines Mordes beschuldigt, die andere plant ihren Selbstmord. Um Täterschaft und Schuld könnte es dabei gehen, aber um diese Fragen ernsthaft zu stellen oder gar aufzulösen, verliert sich das Ganze zu sehr in albtraumhafter Surrealität.

Die Schlaglöcher der Gegenwart

Noch surrealer geht es in „Ruhig Blut“ von Eleonore Khuen-Belasi zu: Drei Frauen schauen dem Asphalt unter ihnen dabei zu wie er rissig wird und schließlich die Stimme erhebt. Bei Clara Weyde, die den Text fürs Schauspielhaus Graz inszenierte, hängen sie dabei in einem aus groben Seilen geknüpften Netz. Ein toller Ansatz, die Aufwerfungen der Welt, die Schlaglöcher der Gegenwart verwandeln das Leben in eine Kletterpartie mit Abgründen. Doch trägt das Netz besser als der Text, der trotz der ansprechenden Grundidee in seinen sprachsatirischen Spielereien manchmal etwas umständlich wirkt.

Das Fazit: Kein schlechter Jahrgang, mit ein paar Schwächen, aber auch einem echten Volltreffer, der belegt, dass sich hinter dem sperrigsten Titel manchmal die größte Klarheit verbirgt: Das Stück „Zu unseren Füßen, das Gold, aus dem Boden verschwunden“ ist am 21. Juni wieder in der Box des Deutschen Theaters zu sehen.