Es gibt Buchtitel, die gehen einem einfach nicht mehr aus dem Kopf. „Nudel im Wind“ gehört definitiv dazu. Gewitzt eindeutig zweideutig. Ersonnen vom Comedy-Urgestein Jürgen von der Lippe für seinen ersten Roman.
„Als ich die Idee hatte, dachte ich: witzig! Und als bei Nennung dieses Titels wirklich jeder lachen musste, war es entschieden“, verrät er. Für den Profi-Humoristen war das eine Chefsache. Nichts, was man mal eben dem Zufall oder dem Verlag überlässt.
„Der erste Sitcom-Roman der Weltliteratur“
Der 70-Jährige kennt sich schließlich aus mit heiteren Pointen. Die dürfen gern mal schlüpfrig sein. Aber bitte nicht obszön, wie man aus seinen Bühnenprogrammen und den 13 vorangegangenen Büchern weiß. Seine erste Langprosa ist ebenfalls mit hintergründigen und frivolen Gags gespickt. Daher wirbt das Cover auch auf der Rückseite mit der großspurigen Behauptung: „Der erste Sitcom-Roman der Weltliteratur“. Global gesehen mag sich zwar ein skeptisches „Vielleicht“ aufdrängen. Aber der Bestseller ist tatsächlich einer Sitcom nachempfunden.
Einen Roman wollte Jürgen von der Lippe schon lange schreiben, gesteht er: „Mit dem Wunsch ging ich schon seit etlichen Jahren schwanger. Ich habe an die 50 Anfänge auf meinem Computer und irgendwann habe ich mich für diesen Stoff entschieden.“ Am Schreibtisch ist er übrigens einer Anleitung von Horrorkönig Stephen King gefolgt.
Er hat seine Protagonisten nicht in ein komplett durchgetaktetes Handlungsgerüst gesteckt. Stattdessen lässt er sie in einer Umgebung agieren, die von Lippe bestens kennt: Vor und hinter den Kulissen des TV-Geschäfts. Gleich sechs Personen stehen im Mittelpunkt des Geschehens. Drei davon, der stinkreiche Witzbold Gregor, Ex-Zuhälter Justus und die blitzgescheite Visagistin Lisa, haben eine etwas andere Abnehm-Show ausgeheckt.
„Nudel im Wind“: Erste Anfragen fürs TV gibt es bereits
Damit hat Jürgen von der Lippe reichlich Erfahrung: „Dieses Bekenntnis schlägt jetzt vermutlich ein, wie eine Bombe: Ich habe mich schon verschiedentlich mit Abnehmkonzepten beschäftigt. Ich habe auch in den 80er Jahren an einer Abnehm-Comedy-Serie mitgeschrieben und den Arzt gespielt.“ Die Umsetzung des Show-Konzepts im Roman mutet wie eine schwarzhumorige Parodie auf die Fernsehwelt an. Jürgen von der Lippe hatte beim Verfassen jede einzelne Szene direkt vor Augen. Daher liest sich das Buch wie ein rasant geschnittener Film. Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis „Nudel im Wind“ (Penguin Verlag, 220 Seiten, 18 Euro) als Sitcom auf der Mattscheibe landet. Erste Anfragen gibt es bereits.
Vorher aber ist es für Jürgen von der Lippe Ehrensache, mit seinem Roman auf Bühnentour zu gehen. Aktuell macht er mit „Nudel im Wind“ plus Best of bisher“ Station in den Wühlmäusen. „In der ersten Hälfte lese ich die witzigsten Stellen aus „Nudel im Wind“. Natürlich nur bis Seite 120, dann verschwindet Justus plötzlich, es wird also hochkriminell und ich will ja nicht spoilern“, scherzt er.
Geboren im Juni 1948 im westfälischen Bad Salzuflen als Hans-Jürgen Dohrenkamp, sorgte Jürgen von der Lippe schon in den Siebzigern als Mitbegründer der Gebrüder Blattschuss für Furore, bevor er seine Solokarriere startete. Nicht nur als Komiker, sondern auch als Schauspieler und Moderator von Fernsehhits „Geld oder Liebe“. Am wohlsten fühlt er sich allerdings auf der Bühne. Dass er ein begnadeter Vorleser ist, weiß man spätestens seit seinen Auftritten als Hausmeister im legendären „WWF-Club“. Insgesamt 158 Folgen flimmerten im WDR zwischen 1980 und 1984 über die Bildschirme. Damals begeisterte Jürgen von der Lippe mit urkomischen Vorträgen der Zuschauerpost.
Heute ist er längst ein Altmeister, der mit variantenreicher Stimme und Gespür für Zwischentöne Texte lebendig werden und Pointen perfekt getimt detonieren lässt. Logisch, dass die mehr als fünfzig Roman-Figuren bei der Lesung ihren jeweils eigenen Zungenschlag haben. Auf einer Meta-Ebene mischen auch von der Lippe selbst und seine Frau mit. Die Gattin übt immer wieder harsche Kritik an der Romanhandlung. Daraus ergeben sich zwerchfellerschütternde Kabbeleien.
„Die Idee kam mir erst während des Schreibens. Ich habe sie dann mit viel Spaß umgesetzt. Real ist davon natürlich gar nichts“, erklärt der Wahl-Berliner. Anders als bei den Themen Kochen und Boxen, die im Buch als Teil der Speck-weg-Show viel Raum einnehmen. Schon früh hatte Jürgen von der Lippe Interesse daran, wie er sich erinnert: „Ich war als Schüler im Boxverein, bin seitdem Fan. Und ich habe meiner Mutter, einer gelernten Köchin, seit ich denken kann, sehr gern geholfen. Ich bin selbst Hobbykoch.“
In der zweiten Hälfte seiner Liveshow gibt es dann noch das versprochene „Best of“ aus seinen anderen Büchern. Jürgen von der Lippe freut sich schon darauf: „Da kann ich aus dem Vollen schöpfen, mehr als ein Bayern-Trainer bei der Mannschaftsaufstellung. Da rotiere ich auch kräftig, was dazu führt, das ich plötzlich meine eigenen Texte neu entdecke.“
Wühlmäuse, Pommernallee 2-4, Charlottenburg, Tel. 30 67 30 11, 2.6., 4.-9.6. um 20 Uhr