Nein, eine dieser üblichen Rock-, Pop-, Schlagerfrauen ist Christina Stürmer sicherlich nicht. Sie erzählt schon mal minutenlang, warum sie ihr erstes Auto Logan genannt hat. Benannt nach dem X-Man Wolverine, auf den sie mit zarten 18 Lenzen stand. Und ist damit ziemlich fernab von gebräuchlichem Bühnengeplauder, das man sonst von Konzerten kennt.
Aber irgendwie scheinen sich auch die Zuschauer beim Berlin-Gig in Huxleys Neuer Welt nicht einfach nur als Publikum zu begreifen. Eher als erweiterter Freundeskreis. Dafür bringt man schon mal gelbe Luftballons mit und lässt sie fliegen. Oder wird von der Sängerin namentlich begrüßt.
Mit der ganzen Familie auf Tour
Eines ist gewiss: Ein Abend mit Christina Stürmer ist von der ersten Sekunde an sehr persönlich. Wie ihr aktuelles Album „Überall zu Hause“, von dem sie natürlich auch viele Songs präsentiert.
Eigentlich ist die 36-Jährige mit Mann Oliver und Tochter Marina in der Nähe von Wien daheim. Welch ein Glück, dass Oliver als Band-Gitarrist mit ihr unterwegs ist. Und Marina geht selbstverständlich auch mit auf Tour. Es geht doch nichts über frühkindliche musikalische Bildung. Mutter Christina wagte schließlich auch schon in Kindertagen erste Gehversuche Instrumentalistin und Sängerin.
Geboren 1982 im oberösterreichischen Linz, spielte Christina Stürmer bereits zunächst Querflöte. Mit 13 Jahren dann Saxophon in einer Kinder-Bigband, bevor sie mit 16 eine Coverband mitbegründete. Schließlich bewarb sich die gelernte Buchhändlerin 2003 bei der österreichischen Castingshow „Starmania“ und erreichte den zweiten Platz. Ihr erster eigener Song „Ich lebe“ belegte indes neun Wochen lang Platz eins der Charts. 2005 gelang ihr mit dem Hit auch der Durchbruch in Deutschland.
Mit radiotauglichem deutschem Rockpop, einem großartigen, facettenreichen Alt und ihrer nahbar-sympathischen Art hat Christina Stürmer ihre Castingshow-Vergangenheit rasch hinter sich gelassen. Längst schon ist sie eine etablierte Künstlerin. Gilt als bodenständig und authentisch. Für ihr aktuelles Album indes, das vergangenen Herbst erschien, musste die Musikerin hierzulande teils harsche Kritik einstecken. Zu viele Binsenweisheiten hieß es, denen selbst Küchenkalender-Sprüche überlegen sind. Zudem seien die Song zu seicht und kalkuliert zwischen Pop und Schlager angesiedelt, um beide Zielgruppen zu bedienen.
Live klingen die Songs viel rockiger
Zugegeben, die der neuen Songs kommen textlich auch live stupend einfallslos daher. Etwa, wenn Christina Stürmer in der Liebesballade „Mount Everest“ allen Ernstes singt: „Und ich sah schon unsere Namen / Eingraviert auf einer Bank im Zoo und so“. Ganz so, als hätte Lieschen Müller ein paar juvenil-naive Zeilen zusammengeklöppelt. Dagegen wirken die Texte von Stürmers älteren Songs nachgerade wie eine Dissertation in Alltagsphilosophie.
Während sich das neue Material auf dem Album tatsächlich verdächtig wie Schlagermucke anhört, freut man sich live darüber, dass die Songs deutlich rockiger klingen. Mehr noch: Durch den Sound bekommen die Songs einen ganz anderen Twist. Mit Schlager hat das definitiv nichts mehr zu tun. Christina Stürmer zeigt mit den rauen Klängen, wo ihr musikalisches Herz schlägt.
Besonders gut kommen die älteren Songs. Schön druckvoll wie „Immer an euch geglaubt“ mit satten Gitarrenriffs. Oder „Wir leben den Moment“. Wie momentan schwer angesagt, spielt auch Christina Stürmer ein Akustik-Set. Hautnah mit Band auf einer kleinen Bühne inmitten der Zuschauer.
Dabei kann Christina Stürmer mit ihren Hits wie „Ich lebe“ einmal mehr ihre bestechenden Live- Qualitäten voll ausspielen. Sensationell gut.