Berlin. Der Fotograf Roger Melis wollte die DDR zeigen, wie sie war. Die Reinbeckhallen in Schöneweide zeigen die bislang größte Werkschau.
Roger Melis war einer der großen Fotografen der DDR. Rechtzeitig zum Jahrestag des Mauerfalls gibt es nun eine gewichtige Retrospektive: „Die Ostdeutschen“ heißt sie, zu sehen in den Reinbeckhallen in Oberschöneweide. Die bislang größte ihrer Art, es gibt auch Unbekanntes darunter. Melis, der 2009 mit 69 Jahren an Krebs starb, gehörte neben Sibylle Bergemann und Arno Fischer zu den Mitbegründern des ostdeutschen Fotorealismus.
Es geht um Identität, auch 30 Jahre nach der Wende
Nun könnte man einwenden, der Titel der Schau an sich sei provozierend. Wer sind sie, wer waren sie, die Ostdeutschen? Kann das Melis mit seinen Fotos überhaupt darstellen? Lebte man auf Rügen genauso wie in Dresden? Doch der Titel ist klug gewählt und greift ein Thema auf, das derzeit in vielen Diskussionen aktuell ist. Es geht um ostdeutsche Identität – und Rückbesinnung. Rückenwind jedenfalls gibt das Jubiläumsjahr.

Zu sehen sind um die 160 Schwarz-Weiß-Fotografien, darunter Porträts und Reportagen. Wenn Melis Mode fotografierte, dann vor allem für die Zeitschrift „Sibylle“. Wer wissen möchte, wie der untergegangene Sozialismus im (Arbeits-)Alltag mit seinen (politischen) Ritualen funktionierte, ist bei Melis richtig.
Für Repräsentationszwecke taugten seine Bilder nicht
Wie ideologisch spielerisch seine Fotos jenseits der Alltagspoesie waren, zeigt das Foto „Parade zum Tag der Befreiung“, 1965. Da rollt eine Panzerbrigade auf, ein Vater mit Kind schaut zu, eine alte Dame ebenfalls – sie alle erscheinen im Bild wie Staffage. Doch, so könnte man meinen, unbeeindruckt davon, was sich vor ihren Augen abspielt. Gedruckt wurde es nie, für staatliche Repräsentationszwecke taugt es nun wirklich nicht. Zusammengestellt hat diese Schau Mathias Bertram, Stiefsohn von Roger Melis und Kurator der Ausstellung - er betreut das Archiv des Fotografen.
Es gibt spielende Indianerkinder zu betrachten und morbide Korridore genauso wie eine Clique Jugendlicher, die so aussieht, also wollte sie den Aufstand proben. Viele dieser Bilder sind in Melis Band „In einem stillen Land“ versammelt, der einen Querschnitt durch das untergehende Land von 1964 bis 1989 versammelt.
Zu den bekanntesten Porträts zählt sicher Wolf Biermann an der Weidendammer Brücke vor dem preußischen Adler – es sieht so aus, als würden dem Liedermacher und Freund Flügel wachsen. Die Idee zu dem Motiv stammt allerdings vom Poeten Allen Ginsburg, der Anfang der 70er-Jahre mit Biermann durch die Friedrichstraße flanierte und meinte, ein Foto vor dem Federvieh sei doch witzig. Dass daraus einmal die gleichnamige Ballade Biermanns werden würde, daran dachte damals wohl keiner. 1976 wurde Biermann ausgebürgert.