Ausstellung

Anerkennung und Verfemung: Brücke-Künstler in der NS-Zeit

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Angela Hohmann
Erich Heckels Bild „Annweiler,“ von 1933 wird im Brücke-Museum gezeigt

Erich Heckels Bild „Annweiler,“ von 1933 wird im Brücke-Museum gezeigt

Foto: Nick Ash / © Nachlass Erich Heckel, Hemmenhofen

Hitler verfemte 1935 die Expresionisten. Das Brücke-Museum arbeitet in einer Ausstellung die NS-Geschichte der Künstler auf.

Berlin. Mit schwarz-gelbem Ringelkleid hockt sie leicht schmollend auf dem grünen Sofa. Neben ihr hat sich eine Katze zusammengerollt. Die „Artistin“ heißt das Meisterwerk von Ernst Ludwig Kirchner aus dem Jahr 1910. Es ist eines der Glanzstücke in der Sammlung des Berliner Brücke Museums und eines der vielen Bilder der Moderne, die der Aktion „Entartete Kunst“ durch die Nationalsozialisten zum Opfer fielen. 1937 wurde es aus dem Sammlungsbestand des Jenaer Kunstvereins beschlagnahmt und gelangte erst 1997 über Umwege in den Besitz des Brücke-Museums. So ähnlich erging es vielen Bildern der Brücke-Künstler in der NS-Zeit.

Einige davon hängen nun im Brücke-Museum in der Ausstellung „Flucht in die Bilder? Die Künstler der Brücke im Nationalsozialismus“ nebeneinander. Auf kleinen Texttafeln kann man ihr Schicksal nachlesen. Anhand von Werken aus dem eigenen Bestand, ausgewählten Leihgaben und vielen Dokumenten nimmt die Schau die Spielräume der Künstler in unterschiedlichen Phasen des NS-Regimes in den Blick.

21.000 Kunstwerke der Moderne wurde beschlagnahmt

Anfangs hatten die Brücke-Künstler noch die Hoffnung, dass ihre Kunst als deutscher Betrag zur Moderne – als Kontrapunkt zum französischen Impressionismus – die Anerkennung der Nationalsozialisten findet, Emil Nolde hegte gar den Wunsch, Staatskünstler zu werden. Tatsächlich hatte der Expressionismus Anhänger unter den Nationalsozialisten. Aber reaktionär-völkischen Stimmen rund um Alfred Rosenberg sahen ihn als „Verfallskunst“ an. Mit seiner „Kunstrede“ 1935 entschied Hitler den „Expressionismusstreit“ zugunsten Letzterer. Damit wurden auch die Spielräume für die Brücke-Künstler enger.

Im Zuge der Aktion „Entartete Kunst“ wurden insgesamt rund 21.000 Kunstwerke der Moderne aus deutschen Museen beschlagnahmt. Eine Auswahl davon wurde 1937 in der Ausstellung „Entartete Kunst“ in München zur Schau gestellt. Auch die Brücke-Künstler waren davon betroffen: von Erich Heckel waren acht Werke vertreten, von Ernst Ludwig Kirchner 24, von Otto Mueller 15, Max Pechstein sechs, von Karl Schmidt-Rottluff 20 und von Emil Nolde 33.

Ernst Ludwig Kirchner wählte 1938 den Freitod

Für Kirchner, bereits seit dem 1. Weltkrieg in der Schweiz, war der Schock so schwer, dass er 1938 den Freitod wählte. Die anderen Brücke-Künstler unterlagen trotz ihrer Diffamierung zu diesem Zeitpunkt keinem Berufsverbot. Pechstein konnte nach Prüfung durch die Reichskammer der Bildenden Künste sogar noch 1939 Landschaftsbilder in der Berliner Galerie von der Heyde ausstellen.

Dass die ständige Überprüfung durch die Kammer sich auch auf das Werk der Künstler auswirkte, stellt die Ausstellung im Brücke-Museum in den Raum. Die Arbeiten wirken gefälliger als noch in der expressionistischen Frühphase der Künstler, Figurenbilder bei Heckel werden naturalistischer, Landschafts- und Städtebilder von ihm und Schmidt-Rottluff orientieren sich an zeitgenössischen Postkartenmotiven.

Nach 1937 wurden von deutschen Museen keine Werke der Brücke-Künstler mehr angekauft. Dem ebenfalls verfemten Nolde machte das wenig aus, er gehörte bis zu seinem Berufsverbot 1941 zu den Spitzenverdienern im „Dritten Reich“. Für die anderen schwanden wichtige Einkommensquellen, auch weil ein ganzes Netzwerk an jüdischen Sammlern und Förderern wegbrach, wie die Ausstellung am Beispiel von Rosa Schapire zeigt, die 1939 ins Londoner Exil floh.

Nach 1945 wurden die Künstler schnell rehabilitiert

Mit einem Berufsverbot wurden 1941 nur Nolde und Schmidt-Rottluff belegt. Danach durften sie nicht verkaufen und erhielten keine Bezugsscheine für Malmittel mehr. Beide veräußerten ihre Arbeiten heimlich. Pechstein, der den Nationalsozialisten unter anderem wegen seines Engagements in der Novembergruppe ein Dorn im Auge war, blieb dennoch von einem Berufsverbot verschont. Alle Brücke-Künstler, bis auf den verstorbenen Kirchner, arbeiteten – wenn auch unter Einschränkungen – kontinuierlich weiter.

Ab 1943 stand die Rettung der Werke vor Bombenangriffen im Vordergrund. Vieles ging verloren, einige verschollen geglaubte Arbeiten wurde überraschend wiedergefunden – wie das farbenfrohe „Bildnis Rosa Schapire“ von Schmidt-Rottluff aus dem Jahr 1911. In der Nachkriegszeit versuchten die Künstler vielfach ihre Werke zu rekonstruieren oder an alte Themen anzuknüpfen, um die Verluste zu kompensieren. Nach 1945 wurden alle schnell rehabilitiert – auch Nolde, der von sich die Legende des verfolgten Opfers schuf, obwohl seine Rolle im Nationalsozialismus mehr als zwiespältig war.

Brücke-Museum, Bussardsteig 9, Berlin-Dahlem. Tel.: 8312029. Täglich 11-17 Uhr, Di geschlossen. Bis 11. August 2019, Katalog: 39,90 Euro.