David Wojnarowicz

David Wojnarowicz: Ausstellung zeigt Filme und Fotos

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Angela Hohmann
David Wojnarowicz und eine Kuh an der Wand: Das Foto entstand 1983.

David Wojnarowicz und eine Kuh an der Wand: Das Foto entstand 1983.

Foto: Estate of David Wojnarowicz and PPOW Gallery, New YorK

Zorniger Poet: Eine Ausstellung im KW in Mitte zeigt Filme und Fotografien von David Wojnarowicz in Mitte.

Eine Sequenz jagt die andere in diesem wilden Mix surreal aufgeladener Bilder: Stier- und Boxkämpfe, ein Kind als feuerspeiender Straßenkünstler, Geldmünzen, die aus einer Hand in eine Blutschale fallen, das Porträt eines jungen mit zugenähten Lippen – das ikonische Selbstporträt des New Yorker Künstlers und AIDS-Aktivisten David Wojnarowicz (1954-1992).

Feuer im Bauch

Die traumähnlichen Bilder mit Sogwirkung sprechen von Gewalt, Tod, Spiritualität und Sexualität. „A Fire in My Belly“ (1986-87) heißt der Film, ein unvollendetes Werk von Wojnarowicz. Noch 2010 löste er einen Skandal aus. Blasphemie, schwule Pornografie, tönte es da aus konservativen Kreisen, als er in einer Ausstellung gezeigt wurde. Im letzten Jahr wurde dem Künstler eine große Retrospektive im New Yorker Whitney Museum gewidmet und Wojnarowicz als Figur des Widerstands gegen das repressive, homophobe Amerika der 1980er-Jahre gefeiert.

Wut auf die Gesellschaft

Der Film ist nun Herzstück der Ausstellung „David Wojnarowicz. Photography Film 1978-1992“ im Berliner KW – Institute for Contemporary Art. Kunst war für Wojnarowicz stets eine Form, sich der eigenen Existenz zu versichern. In allen möglichen Medien drückte der begnadete Künstler sich aus: Malerei, Skulptur, Performance, Zeichnung und eben auch Film und Fotografie. Schon diese zeigen, wie innovativ er nach einem künstlerischen Ausdruck für alles suchte, was ihn umtrieb: die Suche nach tabuloser Erotik, die unstillbare Wut auf eine feindselige Gesellschaft, das Gefühl der Isolation und – nach seiner AIDS-Diagnose – die Angst vor dem Tod.

Moderne Totenmaske

Früh identifizierte sich Wojnarowicz mit dem französischen Poeten Arthur Rimbaud, fotografierte Freunde und sich selbst in New York mit einer Rimbaud-Maske vor dem Gesicht. Eine entscheidende Begegnung war die mit dem 20 Jahre älteren Fotografen Peter Hujar, der eine Weile sein Liebhaber wurde, aber – was viel wichtiger ist – sein Seelenverwandter und Förderer war. Nach dessen AIDS-Tod 1987 filmte und fotografierte Wojnarowicz den Leichnam des toten Freundes, für ihn eine Art moderne Totenmaske. Fotografien Peter Hujars wiederum zeigen Wojnarowicz‘ längliches jungenhaftes Gesicht, seine schlaksige Gestalt.

Anfänge als Schriftsteller

Beeindruckend ist Wojnarowicz’ sonore Stimme, wenn sie durch die Räume des KW hallt und in gemessenen Worten von seinem Zorn spricht angesichts der Ignoranz seiner Zeitgenossen in Sachen AIDS. Hier zeigt sich der wortgewaltige Poet, denn als Schriftsteller begann der Autodidakt seine Karriere. Zarte Poesie offenbart sich auch in dem Super-8-Film „When I Put My Hands on Your Body“ von 1989, der zusammen mit Marion Scemama entstand.

Roh und ungefiltert

Mit Filmen über Heroin und die Verwandlungskünste der Dragqueens spricht Wojnarowicz direkt über die Welt, aus der er kommt: die Straßen New Yorks, die raue Welt der Piers – ein Sextummelplatz für Homosexuelle in den 1980er-Jahren, wo er selbst sich eine Weile als Stricher herumtrieb – und die Undergroundszene des New Yorker East Village, in der sich eine rohe, ungefilterte und befreiende Kunst Bahn brach. Ende der 1980-Jahre erfährt Wojnarowicz, dass auch er sich mit AIDS infiziert hat. 1992 erliegt er mit nur 37 Jahren dem todbringenden Virus.

KW Institute for Contemporary Art. Auguststr. 69, Mitte. Mi.-Mo. 12-19 Uhr, Do. 12-21 Uhr, Di. geschlossen. Tel. 243 45 90. Bis 5. Mai.