Staatsoper

Barenboim und die Staatskapelle: Von Unfrieden keine Spur

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Martina Helmig
Daniel Barenboim führte souverän durch den Abend.

Daniel Barenboim führte souverän durch den Abend.

Foto: Holger Kettner

Über die Umgangsformen des Dirigenten wird diskutiert. Auf die Qualität der Staatskapelle hat das keinen Einfluss.

Von Unfrieden ist da keine Spur. Erst vor wenigen Tagen wurde Daniel Barenboim vorgeworfen, seine Musiker jähzornig und ungerecht zu behandeln. Auf der musikalischen Ebene funktionieren die Staatskapelle und ihr Chefdirigent aber nach wie vor als erstklassiges, eingespieltes Team.

Die Musiker betonen das Düstere und Zerrissene in Schuberts „Unvollendeter“. Auch im lichteren zweiten Satz bleibt der tragische Unterton.

Martha Argerich wirkt wie ein Kobold

Die Auftritte von Martha Argerich mit der Staatskapelle sind immer besondere Höhepunkte. Sergej Prokofjews drittes Klavierkonzert ist für sie ein Herzensstück, das sie ihr Leben lang begleitet. Mit 16 Jahren ist sie mit diesem Werk berühmt geworden. Sie hat mit ihm mehrere Wettbewerbe gewonnen.

Heute ist sie 77 Jahre alt, und es ist erstaunlich, dass sie nicht nur das Temperament, sondern auch die nötige Kraft für das gewaltige Virtuosenwerk noch immer aufbringt. Sie liebt die brillanten, aber auch die grotesken und wilden Züge des Konzerts. Nur die Marschanklänge im zweiten Satz erinnern daran, dass das Stück 1917 entstand, mitten im Ersten Weltkrieg.

Martha Argerich zeichnet schrille Karikaturen und wirkt dann wieder wie ein übermütiger Kobold, der Schabernack treibt. Das Tempo kann ihr nicht schnell genug sein. Mehrfach treibt sie das Orchester zur Eile an. Standing Ovations und eine hübsche Zugabe folgen.

Als Kinder haben Martha Argerich und Daniel Barenboim in Buenos Aires unter dem heimischen Flügel gespielt. Jetzt spielen sie auf dem Flügel, und zwar vierhändig aus Bizets Suite „Kinderspiele“.

Flirrende Flöten

Auch der Komponist Jörg Widmann gehört zu Daniel Barenboims speziellen Künstlerfreunden. Die Staatskapelle hat alle seine wichtigen Orchesterwerke gespielt. Mindestens einmal im Jahr setzen die Musiker ein Stück von ihm aufs Programm.

Im März hat Widmanns Oper „Babylon“ an der Staatsoper Premiere. Wegen seiner Augenoperation kann Barenboim nicht wie geplant dirigieren. Aber die Aufführung der „Babylon-Suite“ mit Ausschnitten aus der Oper lässt er sich nicht nehmen.

Es beginnt wild und wollüstig mit bratzenden Posaunen und flirrenden Piccoloflöten. Der Komponist stößt ständig Fenster in die Musikgeschichte oder in die Unterhaltungsmusik auf.

Orientalismen treffen auf Walzerklänge und Jazzrhythmen. Er nascht in sämtlichen stilistischen Töpfen. Oft muss man an Filmmusik denken. Als Höhepunkt präsentiert er den „Königlich-Bayerischen Defiliermarsch“ mit falschen Tönen. Wem das nicht peinlich ist, der findet es vielleicht lustig. Aber es sind schon reichlich derbe und naive Späße, die der Komponist vorführt. Der Applaus ist am Ende trotzdem groß.