Berlin. In einem Festakt zum 150. Geburtstag des Münzkabinetts gaben kürzlich Direktor Bernhard Weisser und seine Mitarbeiter Einblick in ihre Arbeit und in die Geschichte des Museums, das zuletzt mit einem spektakulären Kunstraub Aufsehen erregt hat. Die 3,5 Millionen Euro teure gigantische Goldmünze „Big Maple Leaf“, die im Übrigen nur eine Leihgabe war, wird wohl nie wieder auftauchen. Die größte deutsche Münzsammlung hält aber dennoch genug spannende Geschichten bereit, die es zu entdecken gilt.
Ehemalige römische Sklaven trugen als Zeichen ihrer Freilassung einen Pileus, einen Filzhut. Dieser Hut ist auf einem römischen Denar zu sehen, einer Silbermünze aus dem Jahr 42 v. Chr. Flankiert ist der Hut von zwei Dolchen, darunter steht „EID MAR“. Dreht man die Münze um, verweisen Kopf und Inschrift auf Brutus, den Mörder Caesars. Die Dolche stehen für die Tat, der Hut für die Rechtfertigung: die Befreiung Roms von der Tyrannei. „EID MAR“ sind die Iden des März und somit der Zeitpunkt der Ermordung. Die historischen Fakten kennen wir größtenteils aus Plutarchs Caesar-Biografie, er hat sie aber erst 150 Jahre später aufgeschrieben. Die Münze wurde ein bis zwei Jahre nach der Tat geprägt, um für Brutus’ Kampf für die Republik Propaganda zu machen. Heute würde man einen Tweet in die Welt setzen, damals waren es Münzen, die sich schnell verbreiten ließen.
Ein wertvolles Geschichtszeugnis also, das im Jahr 2014 einem Sammler 165.000 Euro wert war. Das Berliner Münzkabinett besitzt sogar zwei Exemplare: Eines lagert im Tresor, das andere ist im Alten Museum zu besichtigen. Hauptstandort des Münzkabinetts ist das Bode-Museum, antike Münzen werden aber auch thematisch passend im Alten Museum, im Neuen Museum und im Pergamonmuseum gezeigt. Die Brutus-Münze aus dem Tresor wurde von Julius Friedländer 1864 in Rom erworben. Friedländer war damals Leiter des Münzkabinetts, das zur Altertumssammlung gehörte, vier Jahre später wird er zum ersten Direktor eines nun eigenständigen Museums ernannt. Ihm ist der Aufstieg des Berliner Münzkabinetts in die Riege der bedeutendsten internationalen Sammlungen zu verdanken. Und deshalb ist das Jubiläum vor allem eine Hommage an seinen ersten Direktor. Ihm zu Ehren wurde – wie könnte es anders sein – eine Gedenkmedaille herausgegeben.
Schon im 16. Jahrhundert wurden Münzen gesammelt
Die Berliner Münzsammlung ist natürlich älter als 150 Jahre. Schon die Brandenburger Kurfürsten sammelten seit dem 16. Jahrhundert für ihre Kunstkammer antike Münzen und ließen von ihren Kunstkämmerern Kataloge erstellen wie den „Thesaurus Brandenburgicus“ von Lorenz Beger, der die Antikenbestände und also auch die Münzen auflistete.
Julius Friedländer wurde 1813 in ein Berlin geboren, in dem das Sammeln auch bei Bürgerlichen groß in Mode war. Für seinen Großvater, den Seidenfabrikanten David Friedländer, war es noch eine Leidenschaft unter vielen, so sammelte er neben Münzen auch Gemälde, Zeichnungen, Plastiken und Handschriften berühmter Dichter, besonders Lessing hatte es ihm angetan. Es war die Zeit der großen literarischen Salons in Berlin, wo wohlhabende, dem Geiste der Aufklärung verpflichtete Juden auf die jungen Genies der Romantik trafen: Die Friedländers tranken Tee bei Moses Mendelssohns Tochter Dorothea Veit (spätere Schlegel) und lernten bei Henriette Herz die Schlegels, Humboldts und Brentanos kennen. Davids Sohn Benoni Friedländer trieb die Annäherung an das Christentum so weit, dass er seine Kinder in der Berliner Marienkirche taufen ließ und auf das Graue Kloster schickte. Er vergrößerte die Sammlung seines Vaters und unterstützte den Sohn Julius bei seinen Studien, sodass dieser zunächst ohne Sold für das Münzkabinett tätig werden konnte und sogleich lange Reisen nach Italien zum Einkaufen unternahm.
Per Testament verfügte Benoni Friedländer, dass seine persönliche Sammlung dem Münzkabinett zu veräußern sei, denn er wusste sie bei seinem Sohn in besten Händen. Und damit wäre ein Kapitel aus der Provenienzforschung des Münzkabinetts erzählt. Denn auch daran will das Jubiläum erinnern: Woher kamen all die 540.000 Münzen? Einige wurden gefunden, viele wurden ganz profan von Händlern gekauft, andere fielen durch Erbschaft an die Kurfürsten oder wurden durch Schenkungen erworben. Einige kamen sogar aus den Garderobenkassen der Museen. Der Dichter Novalis fällt unter den Vorbesitzern auf. Das Münzkabinett ist heute sehr um Transparenz bemüht. Im interaktiven Katalog kann man den schon eingepflegten Teil der Münzen, aktuell sind es 34.001, auf seine Herkunft prüfen, auch Fälschungen werden als kulturhistorische Denkmäler gesammelt. Gelistet sind im Onlinekatalog außerdem die 67 Münzen aus jüdischem Besitz, die 1942 nach der Deportation der Juden aus Schneidemühl (Pila, Polen) ins Museum gelangten. Der 1992 der Jewish Claims Conference gemeldete Fall wird in der in diesem Jahr erscheinenden Museumsgeschichte ausführlich behandelt.
„Münzen, Medaillen, Menschen“ ist das Motto des Jubiläums und der begleitenden Ausstellung im Studienkabinett des Münzkabinetts. Schön wäre auch gewesen: „Maurische Reste oben. Münzkäufe. Schöne Mädchen“, wie es im Tagebuch des berühmten Altertumsforschers Theodor Mommsen über einen Ausflug mit Julius Friedländer in Sizilien steht. Die Freundschaft und Wertschätzung der beiden Forscher begründete eine enge Zusammenarbeit des Münzkabinetts mit der Akademie der Wissenschaften, die bis heute andauert.
Bode-Museum, Am Kupfergraben, Mitte. Öffnungszeiten: Do. 11–20 Uhr, Fr., Sbd. u. So. 11–18 Uhr.