Columbiahalle

Parcels in Berlin: Kreuzberger Nächte sind funk

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Julius Betschka
Parcels im Juni bei einem Auftritt im norwegischen Bergen

Parcels im Juni bei einem Auftritt im norwegischen Bergen

Foto: picture alliance

Die in Berlin ansässige Band überzeugt mit sauber gespieltem Disco-Sound. Sind die Australier die Stars von morgen?

Berlin. Nach so einem Parcels-Konzert kommt einem alles herrlich weich gespült vor: die Knie, das Hirn und, ach, man hat den Australiern aus Byron Bay auch einfach gern zugeschaut. Aber was war das eigentlich gerade, fragt man sich, nachdem der gefeierte Disco-Pop der fünf Jungs von der Bühne in der Columbiahalle verklungen ist? Eine Mischung, das bleibt vage, aus zugeknöpfter Yacht-Club-Party, zugedröhnter Silvesterfeier und dem schönsten Mixtape, um mit der Katze zu schmusen – immer: mit einem Glas Schampus in der Hand und einem Grinsen im Gesicht.

Doch von vorn: Parcels kommen an diesem Abend nicht einfach auf die Bühne. Parcels haben einen Anheizer. Schwarzer Zylinder, goldenes Hemd, weißer Frack. Riesenfreude im Publikum. Dann stehen sie da – die australischen Jungs, die vor vier Jahren nach Berlin zogen, um von hier aus die Pop-Welt zu erobern – und sehen aus wie Weltstars. Schlagzeuger Anatol Serret sitzt etwas erhöht, vor ihm stehen sauber aufgereiht und stilsicher frisiert seine Bandkollegen. Und wie sie da schunkeln im warmen Scheinwerferlicht, man muss, ja wirklich, an die Beatles denken. Sicher, es hilft, dass Sänger und Gitarrist Josh Crommelin aussieht wie der junge George Harrison und die Band eine ähnlich präzise geübte Lässigkeit ausstrahlt wie die Liverpooler Legenden.

Musikalisch ist das bei Parcels so, dass sie sich, obwohl gerade erst Anfang Zwanzig, freiheraus am Repertoire der ganz Großen des Pop-Business bedienen: Seien es eben die Beatles, die Beach Boys, Steely Dan, New Order, die Disco-Funk-Legenden von Chic oder Daft Punk, mit denen sie sich für ihre erste Single zusammentaten. Das alles nehmen die Jungs glücklicherweise bierernst, zitieren präzise, remixen mutig und wiegen letztlich alles im wohlig warmen Schoß ihres funky Disco-Pops. Der ist an diesem Abend indes so mathematisch sauber gespielt, wie das selten zu hören ist bei Bands, die gerade erst dem Berlin-Mitte-Kosmos entwachsen. Nur ab und an noch droht der fluffige Sound der Australier, zu sehr um sich selbst zu kreisen. Schwamm drüber. Holt man sich noch einen Sekt, die Parcels-Party geht ja erst los

Leider ist das Konzert zu früh vorbei

Und natürlich: Das, was Parcels da aufführen, ist auch grandioses Nerdtum – nicht nur in den musikalischen Zitaten, ihr Auftreten sagt: Wir sind eine ziemlich coole Band, die weiß was sie tut. So haben sie sich auf dem Cover ihres kürzlich veröffentlichten Debüt-Albums, das schlicht „Parcels“ heißt und von der Musikpresse überschwänglich gelobt wurde, in Retro-Flug-Uniformen geschmissen, posieren darin vor einem alten Jet. Gitarrist Crommelin als Kapitän, die anderen in pastellfarbenen Uniformen. Betont sehr lässig, betont flauschig. Das Verrückte: Man nimmt ihnen diese (Über-) Inszenierung kein bisschen übel.

Im Gegenteil. Es ist so, dass man sich kaum satt sehen kann an dieser Band. Ihre Lichtshow ist perfekt. Sie lässt die Band, von vorn bestrahlt, teils zu übergroßen Menschengestalten wachsen. Man sieht, dass die Australier miteinander eine gute Zeit haben da oben auf der Bühne. Und diese Frisuren. Irgendwann dann lässt Keyboarder Patrick Hetherington alle Coolness Coolness sein und hält die einzige längere Ansprache des Abends. Ehrlich gerührt erklärt er, dass hier – vor der ausverkauften Columbiahalle in Kreuzberg – gerade eine Traum war werde für die Australier. Kreuzberger Nächte, das ist allen klar, sind heute funk. He, he.

Doch dafür – kontraintuitiv – recht früh vorbei. Aus der Traum fürs Publikum. Der Anheizer, der Zeremonienmeister der Parcels, kommt zum letzten Song auf die Bühne, verabschiedet die Band. Er wünscht „Merry Christmas“ zum Abschied und „a happy new year“. Wieder große Freude unter den Zuschauern. Dann war’s das. Parcels sind weg und kommen auch nach minutenlangem Applaus nicht zurück. Einmal spielen, auf Wiedersehen. Nicht das Publikum bestimmt das Ende der Show, Parcels haben die Party geplant. Man soll ja gehen, wenn es am geilsten ist.