Film

Die großen Fragen um Glaube, Wahrheit, Religion

| Lesedauer: 3 Minuten
Barbara Schweizerhof

Foto: - / dpa

Ein traumatisierter Kriegsreporter soll über eine Marienerscheinung rercherchieren: Das stürzt ihn in ein Dilemma: „Die Erscheinung“.

Man hat ihn schon in einigen Filmen gesehen: den Kriegsreporter, der traumatisiert aus dem Einsatzgebiet zurückkehrt. Er ist zu einer fast schon symbolischen Figur unserer Zeit geworden, einer Art letztem Helden, der seine Sensibilität verschlossen als innerer Schmerz auslebt. Der Franzose Vincent Lindon ist dafür eine Idealbesetzung, wie „Die Erscheinung“ erneut belegt. Kaum jemand kann wie er, mit einem einzigen Blick auf die Fotografie eines Freundes, schon die ganze Geschichte erzählen: Was für gute Kollegen sie waren, wie sehr er es bereut, ihn das eine Mal allein gelassen zu haben, wie schuldig er sich fühlt an dessen Tod.

Lindons Jacques Mayano kapselt sich ab, er leidet unter schweren Tinnitusattacken, muss zeitweise seine Pariser Wohnungsfenster mit Kartons verdunkeln. Da erreicht ihn ein Anruf aus Rom: Ein französischer Kardinal, der angeblich Jacques’ Reporterarbeit eng verfolgt, möchte ihn mit einem heiklen Auftrag befassen. Jacques soll ermitteln, ob eine junge Frau die Wahrheit sagt, wenn sie behauptet, ihr sei die Jungfrau Maria erschienen. Der schon des Berufs wegen zur Neugier neigende Journalist bezweifelt zwar seine Eignung in dieser Angelegenheit – er outet sich als Agnostiker – nimmt den Auftrag aber an.

Die Geschichte, die Xavier Giannoli („Chanson d’amour“) hier erzählt, klingt wie aus mehreren Schlagzeilen zusammengeklaubt. Der Kriegsreporter und sein toter Fotografenkollege, die Marien-Erscheinung in der Provinz samt Pilgerwahn, die eingesetzte Untersuchungskommission, der störrische lokale Priester und ein das große Geschäft witternder Deutscher – das alles hätte auch eine beißende Satire ergeben können. Aber das Besondere an „Die Erscheinung“ ist, wie ernst all diese Themen genommen werden. Giannoli möchte von den großen Fragen der Wahrheit, des Glaubens und der Religion erzählen, das bedeutet im konkreten Fall auch, dass der Film nicht allein an einer schlichten Aufklärung über die titelgebende Erscheinung interessiert ist.

Mehr Sichtweisen hätten gut getan

Trotz stolzer 140-minütiger Laufzeit und einer aufdringlich aufs Sakrale setzenden Filmmusik gelingt es Giannoli, die Spannung bis zu einem, in seiner Duplizität verblüffenden, Schluss zu halten. Was natürlich einmal mehr an Vincent Lindon liegt, der keine Worte braucht, um eine Figur abzubilden, die Zweifel hat, der der Glaube fehlt, die aber Mitgefühl besitzt für alles, was menschlich ist. Galatéa Bellugi macht in der Rolle der jungen Anna ebenfalls eine gute Figur, auch wenn ihr das Drehbuch leider zu wenig Gelegenheiten dafür lässt, mehr als nur die Leidende zu verkörpern.

Wie überhaupt die Schwächen des Films in seinem Szenario zu finden sind: auch andere, zunächst als interessant eingeführte Figuren wie der eigenmächtige lokale Priester (Patrick d’Assumçao) oder der angereiste Geschäftemacher (Anatole Taubmann) bekommen keinen wirklichen Raum zur Entfaltung. Dabei hätten ein paar Sichtweisen mehr auf die Fragen des Glaubens und der Wahrheit dem Film gut ge­tan.