Lange Zeit war es auf europäischen Bühnen üblich, den Othello in Ermangelung eines dunkelhäutigen Schauspielers von einem Weißen spielen zu lassen, der dann meist schwarz geschminkt wurde. Im Zuge der vor ein paar Jahren aufgekommenen „Blackfacing“-Debatte, in der es im Kern darum ging, keine Weißen umzuschminken, sondern die Rolle mit einem Farbigen zu besetzen, ist inzwischen jeder Regisseur, der diese Tragödie von William Shakespeare inszeniert, dafür sensibilisiert.
Am Potsdamer Hans Otto Theater, wo die Tragödie am Sonnabend Premiere hatte, hat sich Mario Holetzeck dafür entschieden, seinen Othello als weißhaarigen Albino, der sich konsequent Schwarz kleidet, auftreten zu lassen. Othello „hat keinen Migrationshintergrund. Er ist kein Farbiger. Er ist weiß. Der Andere. Das Fremde“, schreibt der Regisseur im Programmheft. Das klingt vordergründig politisch korrekt, funktioniert aber nur bedingt, weil der Text auch in der Neuübertragung von Marius von Mayenburg Schimpfwörter wie „Drecksneger“ nicht ausspart. Und auch, weil Othello in Potsdam von Gegenspieler Jago mal als grunzender Affe parodiert wird. Das wirkt ziemlich überflüssig.
Mehr Knallcharge als Wortakrobat
Auf sechs Personen und einen Live-Pianisten hat der Regisseur das Drama verschlankt – und dabei auch das Ende verändert. Bei ihm triumphiert der Super-Intrigant Jago. Der ist bei Michael Meichßner mehr Knallcharge als Wortakrobat, der zudem sein Handeln auch noch dauernd erklärt. Eigentlich ist er ja ein neidgetriebener Mensch, dessen Einflüsterungen Othello, „ein edler Mohr im Dienste des Staates Venedig“, so beschrieb ihn Shakespeare, erliegt und die schließlich zu rasender Eifersucht, Mord und Totschlag führen. Man wird bei diesem knapp dreistündigen Abend das Gefühl nicht los, dass es dem Regisseur wesentlich um zwei Dinge ging: Den Plot mit einem Höchstmaß an Verständlichkeit rüberzubringen, gepaart mit einem starken Willen zur Unterhaltung.
Dabei fängt es ganz vielsprechend an. Der Doge von Venedig lädt zur Party, Joachim Berger kann gesanglich glänzen. Die Kostüme von Alide Büld erinnern an den Karneval, die wuchtigen Quader des Bühnenbildners Juan León entfernt an eine Burganlage. Jago lugt durch den Vorhang, Cassio (Moritz von Treuenfels, den man gern als Jago gesehen hätte), trägt Desdemona (Laura Maria Hänsel) ausgelassen auf den Schultern durch den Zuschauerraum, Roderigo (Jan Hallmann) trinkt. Doch die gute Stimmung hält nicht lange, Venedigs Reichtum muss in Zypern verteidigt werden: ein Fall für den erfolgreichen Feldherren Othello, der bei Andreas Spaniol wenig Eleganz ausstrahlt.
Michael Meichßner und Andreas Spaniol haben Jago und Othello bereits am Rheinischen Landestheater Neuss unter der Regie von Mario Holetzeck gespielt – gewissermaßen eine Übernahme. Dass bei einem Wechsel der Intendanz eine Arbeit mitgenommen wird, ist nicht verwerflich, allerdings kann man das im Programmheft auch ruhig erwähnen.
Hans Otto Theater, Schiffbauergasse 11, Potsdam. Termine: 2., 3. und 14. November, Karten: 0331/ 98 118.