Liederabend

Ein Gaukler, der nicht von der Bühne lassen kann

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Peter Zander

Foto: Wintergarten/Christopher Peetz

Auch mit 87 Jahren bestreitet Armin Mueller-Stahl im Wintergarten noch einen Abend mit eigenen Liedern. Auch wenn er sich mal vergeigt.

Er hat sich ja eigentlich schon verabschiedet. Zumindest als Schauspieler. Aber nur Privatleben, das liegt Armin Mueller-Stahl nicht. Gerade erst war er auf der Frankfurter Buchmesse, wo er sein neues Buch „Der wien Vogel fliegen kann“ vorgestellt hat, in dem er mal wieder ein eigenes Gedicht mit zahlreichen eigenen Gemälden illustriert hat. Und Dienstagabend stand er dann in Berlin im Wintergarten auf der Bühne, um noch einmal sein Liederprogramm „Es gibt Tage ...“ zu spielen.

Er war 80 Jahre alt, als Mueller-Stahl, einer der weltweit erfolgreichsten deutschen Schauspieler, eigene Gedichte und Liedtexte veröffentlicht hat. Und eine CD aufnahm, in der er genau diese Lieder sang. Aber das ist nun auch schon wieder fast acht Jahre her. Und immer noch singt und deklamiert er diese Texte. Vier Herren ganz in Schwarz, auch mit schwarzen Hüten, betreten die Bühne. Und werden diese Hüte nie abziehen. Ein Jazzquartett, das auch mal Tango und Csárdás spielt: Günther Fischer am Klavier und Saxofon, Tobias Morgenstern am Akkordeon, Tom Götze am Kontrabass und an der Tuba. Und eben Mueller-Stahl, lässig auf einem Barhocker sitzend, der zuweilen die Geige zückt, die er so gerne spielt – er wollte ja Violinist werden, bevor er Schauspieler wurde. Oder auch mal zwei Flöten gleichzeitig spielt.

Er verbrannte alles, was er nicht mitnehmen konnte

Es sind Lieder seiner Vergangenheit. Texte, die er meist noch in der DDR verfasst hat und die dann mal er, mal sein Freund und Weggefährte, der Filmkomponist Günther Fischer, vertonte. Die von Fischer, meint Mueller-Stahl verschmitzt, seien besser. Für solche Bescheidenheit lieben ihn die Zuschauer. Die nimmt der große alte Mann aber erst mal kaum wahr. Er begrüßt sie nicht, er mag auch nicht, dass sie zwischen den Stücken klatschen. Als hadere er damit, unterbrochen zu werden.

Es mag an der leichten Erkältung liegen, die ihn erwischt hat. Er vergeigt sich auch mal, ausgerechnet bei einem Stück, das er dem verstorbenen Freund Kurt Masur widmet, was ihn ärgert. Aber im Lauf des Abends wärmt er auf, wird mitgetragen von der Spiellust der exzellenten Musiker und erzählt dann auch Anekdoten aus seinem Leben.

Was zum Hören und was zum Schauen

Sie spielen Melodien aus seinen Filmen wie „Der Kinoerzähler“ und „Hautnah“. Und eigene Lieder wie „Ich bin schon Gaukler über 60 Jahr“, auch wenn Mueller-Stahl jetzt immer dazusagen muss, dass es schon fast 70 Jahre sind. Heitere, aber auch hintergründige Zeilen über blaue Kühe, Hüte, die über dumme Köpfe klagen oder die Nase von Marie, die von der Stasi war. Dazwischen erzählt er, wie er, als er die DDR verließ, im Garten alles verbrannte, was er nicht mitnehmen konnte.

Im „Gaukler“, seiner Lebensbilanz, gibt er zu, wie er sich über Menschen ärgert, die von ihm Autogramme wollen, obwohl sie gar nicht genau wissen, wer er ist. Und wie der dann gleich wieder nachdenkt, wie es mal wird, wenn keiner mehr Autogramme will. Das mag auch ein Grund sein, warum das Multitalent noch mit 87 Jahren auf die Bühne geht und zwei Stunden musiziert. Er ist halt ein Gaukler, er braucht die Bretter. Auch wenn er das letzte Stück bescheiden dem kongenialen Partner Fischer überlässt und der eines seiner berühmtesten Stücke spielt: „Solo Sunny“.

Aber ohne Zugabe lassen die Fans Armin Mueller-Stahl natürlich nicht gehen. Und auch danach können sie sich noch an ihm sattsehen. Im Untergeschoss des Wintergartens hängen zahlreiche Gemälde und Siebdrucke von dem Altstar, der nicht ruhen kann.