Berlin. Es sollte eine Ausstellung zum 90. Geburtstag des am 29.08.1928 in Liegnitz in Niederschlesien geborenen Fotografen Stefan Moses werden. Sie sollte noch einmal dessen außerordentliche Gabe zeigen, Menschen auf die ihm eigene Art und Weise aus der Reserve zu locken und ihnen so ganz besonders nahe zu kommen. Die Galeristin Johanna Breede hatte alles genau geplant, die Auswahl der Bilder und die Hängung mit Moses besprochen. Doch dann verstarb Stefan Moses überraschend im Februar dieses Jahres. Vor allem als bedeutender Porträtist, dem stets ein überraschender und ungewöhnlicher Blick auf seine Zeitgenossen gelang – auf bekannte und unbekannte –, hatte Moses Fotografiegeschichte geschrieben.
Er ließ die Künstler bei der Sitzung spontan eine Maske kreieren
Bei Breede sind vor allem Porträts von Künstlern und Intellektuellen zu sehen. Da es sich hierbei explizit um ausgesprochene Individualisten handelte, bediente sich Moses bei seinen Serien immer wieder Tricks. Die Künstler ließt er spontan bei der Sitzung mit den vorhandenen Materialien eine Maske basteln, hinter der sie sich dann verstecken konnten. Der Realist Otto Dix verwandelte eine große Papierschere kurzerhand in ein Lorgnon, das er sich vor das Gesicht hielt. Meret Oppenheim verschwand hinter einer Kormoranmaske. Der Dadaist Hans Richter hüllte sich in einen Blätterkranz, und Günther Uecker legte sich eine Leinwand, die mit den für ihn typischen Nägeln gespickt war, wie einen Hermelinpelz um den Hals. Jörg Immendorff wirkte hinter seiner Muttermundmaske wie ein Zyklop. Ganz grandiose Bilder, alle in langen Sitzungen entstanden, bei denen man gerne Mäuschen gespielt hätte, so vergnüglich wirken sie.
Andere große Intellektuelle der Zeit oder Künstler verführte Stefan Moses dazu, sich vor einen Anprobespiegel von C&A zu setzen und mit dem Selbstauslöser ein Bild von sich zu machen. „Selbst im Spiegel“ heißt diese Serie. Faxen machend lichtete sich Ernst Wilhelm Nay inmitten seiner Scheibenbilder ab. Ein grandioses Bild. Unwillkürlich muss man mitlachen.
Immer wieder hielt Moses Künstler im Atelier fest, 1971 Gerhard Richter in seinem Düsseldorfer Atelier und 1990 Neo Rauch im Atelier in den „VEB-Bundgarnwerken“ in Leipzig. Damals hatte sich Moses aufgemacht, seine große Serie über die Deutschen, die er in den 60er-Jahren als Reporter (fest engagiert 1960–1968) für den „Stern“ mit Menschen aus dem Westen begonnen hatte, auf den Osten auszudehnen. Anonyme Deutsche unterschiedlicher Profession stellte er vor ein graues Tuch und gab ihnen dort ihre Individualität zurück. Betrachtet man in den entsprechenden Katalogen diese Bilder, gewinnt man den Eindruck, sowohl der Fotograf als auch die Porträtierten hatten einen Heidenspaß.
Als Halbjude hatte ihm der Nationalsozialismus übel mitgespielt, dennoch wollte er Deutschland nie verlassen, sondern jene in Bildern festhalten, die mit ihm den Krieg überlebt hatten. Es sind vor allem die frei entstandenen genialen Serien mit Menschen wie „Künstler machen Masken“, „Selbst im Spiegel“ und „Alte im Wald“, die Stefan Moses’ außerordentliches Talent zeigen, sich Menschen anzunähern und einen besonderen Blick auf sie zu werfen.
Stefan Moses Porträt-Serien.
Johanna Breede Photokunst, Fasanenstr. 69,
Charlottenburg. Tel: 88683123.
Di-Fr 11-18 Uhr. Bis 21. September.