Ein schmales Türchen ist offen im Eisenzaun, der von Gräsern überwuchert ist. Der offizielle Haupteingang ist längst dicht, kein Schild, nichts, verweist mehr auf die ehemalige Australische Botschaft im einstigen Diplomatenviertel der DDR. 1986 reiste der damalige Botschafter aus. Heute steht das Gebäude von 1975, das zu den durchaus anspruchsvollen Platten-Varianten gehört, unter Denkmalschutz. Verblüffend, denn das Gebäude erinnert stark an das Bauhaus-Archiv mit seinen Balkonen. Ein Geschenk an die australische Regierung, die damals mit der sozialistischen Idee liebäugelte. Horst Bauer entwarf nicht nur diese Edelplatte, sondern auch das Café Moskau, das für viele Architekturfans als eine Ikone der DDR-Nachkriegsmoderne gilt. Eine Besonderheit sind die ausgefallenen Wandkeramiken an der Fassade und im Treppenhaus, entworfen von Hedwig Bollhagen als Kunst am Bau. In ihrer strengen Reduktion sind sie heute wieder modern. In der Gegend hier entwickelte die DDR in den 60er-und 70er-Jahren über 130 Botschaften im Plattenstil. Nach der Wende wechselte die Botschaft dann mehrmals den Eigentümer – und stand schon kurz vor dem Abriss.
An diesem heißen Nachmittag werkeln in der Grabbeallee 34–40 in Pankow trotz starker Hitze zahlreiche Künstler in ihren sonnendurchfluteten Ateliers, unten auf dem Rasen lädt ein weißes Knautschlacksofa zum Verweilen ein – mit Blick auf einen Tennisplatz. Der stammt tatsächlich noch aus Botschaftszeiten. Gerade läuft der Künstler Sumugan Sivanesan mit Carl Gerber zum künstlerischen Match auf. Ihre Performance gehört zur Ausstellung „Ex-Embassy“, die am heutigen Sonnabend eröffnet.
Eine neue Initiative zur Nutzung als Kunsthaus
Momentan arbeiten im Atelierhaus Australische Botschaft (Ost) 31 Künstler aus den Bereichen Kunst, Literatur, Musik und Fotografie. Das oberste Stockwerk nutzt das Figuren- und Objekttheater-Kollektiv „Get into Play“ um Sandy Schwermer. Im April vergangenen Jahres sind sie alle hier eingezogen. Allerdings ist der Mietvertrag zurzeit noch befristet. Der Eigentümer Prexxot GmbH möchte die Botschaft in ein Wohnhaus umbauen. Doch noch immer gibt es kein grünes Licht für den Bauantrag.
Mittlerweile hat sich auch eine Initiative gegründet, die sich für eine langfristige kulturelle Nutzung des Gebäudes einsetzt. Ateliers könnte es hier weiter geben. Damit steht die Künstlertruppe ganz auf Linie mit Kultursenator Klaus Lederer (Linke), der sich stark für die Förderung von Studios einsetzt, weil er – bei zunehmenden Mietpreisen – die Verdrängung von Künstlern in der Stadt fürchtet. Gespräche laufen, man suche Partner, mehr möchte Sonja Hornung momentan nicht sagen. Sie hat die Schau konzipiert, selbst ein Atelier im Haus und konnte einige australische Künstler für die Ausstellung nach Pankow holen. Sie selbst kommt aus Melbourne, lebt seit 2012 in Berlin.
Für die Ausstellung fungiert das historische Gebäude wie ein Rahmen, durch den man hindurch jenseits der Geschichte der Botschaft blickt. Der Ort, findet sie, sei aufgeladen, Ost und West, der deutsch-deutschen Geschichte, Stasi, Geheimdienste, die Mauer im Kopf, alles sei dabei. Im ersten Stock bereitet gerade Khadija von Zinnenburg Carroll (38) ihre Installation „Embassy Embassy“ vor. Sie kommt wie Hornung ebenfalls aus Melbourne. Ihr Forschungsobjekt ist seit neun Jahren die Botschaft selbst. Mit diesem Work in Progress wurde sie schon 2014 ins Haus der Kulturen der Welt (HdKW) eingeladen.
Sie sichtete die Stasi-Akten, die etwa 200 Blätter umfasst. Auch im Archiv von Canberra ließ sie sich Botschaftsunterlagen von einst vorlegen, noch heute seien viele Namen geschwärzt, erzählt sie. An die Wand im Flur hat sie ein XXL-Foto der Botschaft und ihrer nahen Umgebung projiziert – aus der Vogelperspektive geschossen. Aus 300 Meter Flughöhe, wie auf der Aufnahme aus dem Fundus der Stasi notiert ist. IM „Jimmy“ hat die Akten über die Vorgänge in der Botschaft angelegt. Die Künstlerin zeigt auf eine Vitrine, dort dokumentiert sie Kopien von Stadtkarten, Bilder aus der Botschaft, Schriftstücke. Kurios, auch ein Foto des schwarzen Faxgeräts ist dabei, das aussieht wie ein Monster.
Oben auf der Vitrine liegt ein ausgedienter Bakelit-Telefonhörer. Man fragt sich, unter welchem Vorwand sich Jimmy dort den Zutritt verschaffte. Der Botschafter wusste, dass er abgehört wurde. Deshalb habe er am Telefon erzählt, wie toll es in Ost-Berlin und besonders beim Flanieren Unter den Linden sei. Die Stasi jedenfalls notierte es wohlwollend. Die Künstlerin, die in Birmingham lehrt, zeigt auf einen chemisch angegriffenen Film. Teilweise wirkt er wie ein abstraktes Gemälde, wo sich die Konturen der Architektur herausschälen. Am Ende übrigens musste der Botschafter gehen, angeblich hatte er eine Affäre mit einer Amerikanerin. Aber natürlich weiß Khadija von Zinnenburg Carroll nicht, ob dies nicht eine Legende ist. In den Botschaften wurde und wird schließlich Politik gemacht. „Das bleibt ein Mysterium und zeigt, dass selbst die Stasi nicht alles kontrollieren konnte, obgleich sie so gründlich gearbeitet hat.“ Diese Geschichte jedenfalls wird in ein Künstlerbuch eingehen.
Atelierhaus Australische Botschaft (Ost). Vernissage, heute: 15–19 Uhr. Do.–Sbd. 12–18 Uhr. Bis 31. August.