Kultur

Ein Käfig voller bunter Figuren

| Lesedauer: 4 Minuten
Angela Hohmann

Neue Arbeiten von Gert und Uwe Tobias zeigt die Galerie Contemporary Fine Arts

Überall sind Gitterstäbe, wie im Käfig sitzen die geisterhaften Fantasiegestalten von Gert und Uwe Tobias auf den großformatigen Leinwänden und schauen nach draußen. Nur in einem dieser Käfige glaubt man, einen Vogel zu erkennen oder vielmehr einen Vogelkopf, der an einer abstrakten Vorrichtung hängt. Ob dieser Vogel noch zwitschern kann, ist mehr als fraglich.

Ausgangspunkt für die eigentümlichen Motive, die alle sieben Arbeiten der 1973 in Siebenbürgen geborenen Zwillinge in der Galerie Contemporary Fine Arts in Charlottenburg kennzeichnen, sind die von Gittern umgebenen Aufzüge, mit denen Kohlekumpel im Ruhrgebiet in die Abbauschächte verfrachtet wurden. Gert und Uwe Tobias hatten sie während der Recherchen im Vorfeld ihrer großen Einzelausstellung in der Kunsthalle Recklinghausen, die noch bis September läuft, auf ihren Ausflügen in die Welt unter Tage kennengelernt. Anlässlich der Schließung der letzten Zeche im Ruhrgebiet Ende dieses Jahres drehten sich die Arbeiten in Recklinghausen rund um dieses Thema.

Davon sind in den neuesten Werken bei Contemporary Fine Arts nur noch die käfigartigen Gitter geblieben. Der Vogel auf dem einen Bild erinnert vielleicht noch daran, dass Kanarienvögel mit in die Stollen genommen wurden, um den Sauerstoffgehalt anzuzeigen. Ganz abgesehen davon, dass ein Vogel – Inbegriff der Freiheit – im Käfig verschiedenste Assoziationen wachruft.

Wie immer bei Uwe und Gert Tobias handelt es sich auch bei ihren neuen Arbeiten um collagenartige Holzschnitte, die aus übereinandergeschichteten Motiven mit Acrylfarbe gedruckt sind. Da es Drucke sind, werden die Werke in 2er-Auflagen gehandelt, das meiste davon ist schon verkauft. Die Herstellung ist immer recht aufwendig. Erst werden Zeichnungen erstellt, dann wird vieles am Computer erprobt: Größenverhältnisse, Komposition der Einzelelemente und die Farbgebung. Die Arbeiten entwickeln die beiden Künstler zusammen, alles wird gemeinsam abgestimmt, auch wenn jeder an einem Holzschnitt allein arbeitet. „Eins und eins ist bei uns drei, und drei ist die Arbeit“, waren sich die Zwillinge schon vor Jahren über ihren Schaffensprozess einig. „Durch zwei subjektive Qualitätsfilter entstand ein Mehrwert“, beschrieb Uwe Tobias ihre Zusammenarbeit. „Wir sind produktiver, nicht was die Qualität angeht, sondern vielmehr im Hinblick auf die Ideen, die zusammenfließen.“

Erst mit zwölf Jahren kamen sie nach Deutschland, studierten gemeinsam an der Braunschweiger Hochschule für Bildende Künste, leben und arbeiten nun schon seit Langem in Köln. Dort erlebten sie mit ihrer ersten Einzelausstellung in einer Kölner Galerie 2004 auch ihren Durchbruch, der ihnen nur drei Jahre später eine Einladung ins Museum of Modern Art in New York einbrachte.

Auf ihren farbenfrohen Drucken treiben groteske Gestalten ihr Unwesen, die immer etwas Ambivalentes und Abgründiges an sich haben, trotz all ihrer poppigen Buntheit. Zur Farbe sind die Zwillinge nach einem Ausflug in die Schwarz-Weiß-Grau-Tonalität in guter alter Grisaille-Technik nun zurückgekehrt und zeigen ihre unheimlichen Traumgestalten wieder bunt. Gefangen hocken sie im Käfig, der so eng ist, dass man noch nicht mal eine Katze darin umherschwingen kann: „Not Enough Room to Swing a Cat“ – so nämlich ist der Titel der Ausstellung.

Tatsächlich berühren die Gestalten – Mischwesen aus Mensch und Tier, aber auch Masken und Fratzen, Köperteile wie Hände und Arme sowie Undefinierbares – tief das Unbewusste. Nur die bunten Farben suggerieren eine Heiterkeit, die jederzeit zu kippen droht. In der ihnen eigenen Bildsprachen, die sich Elementen aus dem Vokabular des Konstruktivismus, des Surrealismus und der Pop-Art bedient, haben die beiden Künstler den Holzschnitt neu erfunden. Kunstgeschichtliche Referenzen erahnt man in ihren Bildern überall: Mal assoziiert man Paul Klee mit seinen verspielten Figuren, mal Hans Bellmer mit den verdrehten Körpern, mal Francis Bacon mit seinen albtraumartig deformierten Menschenbildern.

Gert & Uwe Tobias – „Not Enough Room to Swing a Cat“, noch bis 14. Juli in der Galerie Contemporary Fine Arts, Grolmannstraße 32/33 in Charlottenburg. Di.–Sbd. 11 bis 18 Uhr