Kultur

Showdown in Moskau

| Lesedauer: 3 Minuten
Anne Diekhoff

„Off Duty“: Til Schweiger ist wieder einmal als „Tatort“-Kommissar Nick Tschiller in Aktion. Fernsehpremiere des Kinofilms aus dem Jahr 2016

Kommissar Nick Tschiller balanciert auf einem Lada, der gerade von einem ostwestfälischen Mähdrescher durch russische Felder geschoben wird: Das haben noch nicht viele Menschen gesehen. Nur etwa 280.000 – so viele Zuschauer hatte Til Schweigers Kino-„Tatort“ im Jahr 2016. Jetzt bekommt „Tschiller – Off Duty“ eine zweite Chance, Zuschauer für sich zu gewinnen. Am diesem Sonntagabend ist Fernsehpremiere.

Die Schweiger-Action hat mit 130 Minuten Überlänge

Der Hauptdarsteller selbst rechnet mit dem Schlimmsten. „Ich weiß, wie das jetzt ausgeht: Der Film wird vielleicht drei oder vier Millionen Zuschauer machen, und dann schreiben alle: Der ,Tatort‘ ist im Kino gefloppt, jetzt floppt er auch im Fernsehen“, sagte Schweiger in einem Zeitungsinterview. Er mag den Termin in der Sommerpause nicht.

Die ARD sieht da überhaupt kein Problem und nennt auch noch einen praktischen Grund. Der Action-„Tatort“, in dem Menschen- und Organhandel zwischen der Türkei und Russland die düstere Hauptrolle spielen, hat Überlänge. 130 statt der üblichen 90 Minuten, das gehe eben nur an einem Sommer-Sonntagabend, an dem nicht wie sonst die Talkshow von Anne Will auf den „Tatort“ folgt. ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber findet es außerdem gerade gut, den Fans während der Krimi-Durststrecke etwas Neues anbieten zu können.

Und neu ist der Film nicht nur wegen seiner zeitlichen, sondern auch wegen der räumlichen Ausdehnung. Istanbul! Moskau! Russland lässt sich derzeit als WM-Gastgeber feiern – dieser Ausflug von Kommissar Tschiller hält mit der vollen Unterwelt-Dröhnung dagegen. Wohin das Auge blickt: düstere, testosteronüberfüllte, gewissenlose Männer, die in Hinterzimmern dunkle Geschäfte machen. Frauen kommen hier fast nur als Prostituierte und Organlieferantinnen im Hintergrund vor.

Mit entschlossener Miene landet Lenny Tschiller, Nick Tschillers Tochter (gespielt von Luna Schweiger, Schweigers Tochter), zunächst in Istanbul. Sie ist gekommen, den Mörder ihrer Mutter zu töten. Seit 2013 war das Leben von Kommissar Tschiller in vier Filmen ein Kampf gegen den kriminellen Astan-Clan. Jetzt will ausgerechnet die 17-jährige Tochter aufräumen? Das funktioniert nicht – sie verschwindet in einem Container voller entführter türkischer Mädchen nach Moskau. Der Vater, wegen unzulässiger Alleingänge derzeit außer Dienst („Off Duty“), muss helfen. Leider kommt er nicht ohne seinen treuen Kollegen Yalcin Gümer (Fahri Yardim) aus. Gümer, der Spaßvogel. Zu lustig, finden manche.

Nach lebensgefährlichen Stunts erobern sie den eingangs erwähnten Mähdrescher und parken ihn, wo sonst, auf dem Roten Platz in Moskau. Bis dahin ist schon reichlich Blut geflossen, wurden Männer über Dächer gejagt und an finsteren Orten verprügelt. Alles nur Vorgeplänkel für das große, blutige Finale – bei dem der Kommissar, ja wirklich, noch zum Chirurgen wird. Die Inszenierung übertriebener Männlichkeit kippt mitunter ins Alberne. Aber solide erzählt – und schön gefilmt – ist es.

ARD, Sonntag, 20.15 Uhr