Charlottenburg. Die Charlottenburger Galerie Michael Haas zeigt Werke des 2016 verstorbenen Berliner Künstlers Marwan.
Am Ende bleibt vielleicht nur das Licht eines fernen Nachmittags übrig, oder ein Rest-Flimmern all der Gesichter, die einem je wichtig waren. Auf den späten Bildern des 1934 in Damaskus geborenen Künstlers Marwan, der seit 1957 in Berlin lebte und vor zwei Jahren in seiner Wahlheimat starb, schichten sich die braungrauen, düstervioletten Farbmassen schwer übereinander. Augen und Münder sind kaum zu erahnen. Und doch ist jedes Antlitz so präsent wie ein kaum wahrnehmbarer, aber bedrängender, unheimlich tiefer Brummton.
Auf diesen Gesichtern, derzeit neben früheren Arbeiten zu sehen in der Galerie Michael Haas, kämpfen Schweres und Leichtes miteinander: Als wollten sich die Leinwände in massive Totempfähle verwandeln, stapeln sich darauf zwei- oder dreifach übereinander Köpfe. Manchmal erstarren sie nebeneinander zum Doppelporträt, oder ist es ein zweiköpfiges Gespenst? Zugleich lösen viele kleine Farbtupfer die harten Konturen auf, grelle Funken aus unvermischtem Rot, Gelb oder Blau tanzen fast unmerklich über das Bild und setzen dem wuchtig Pastosen etwas Flirrendes auf.
Als junger Mann studierte Marwan an der Hochschule der Künste – der heutigen Universität der Künste – bei Hann Trier Malerei. In Gesprächen betonte er stets, dass er Damaskus „mitgebracht“ habe nach Berlin. In duftigen Worten beschwor er „das Licht der Dämmerung im Orient am Rande der Steppen Syriens mit seinem seidigen Orange, Violett und Smaragdgrün“, das seine Augen „mit Sehnsucht getränkt“ habe. Er bediente damit natürlich auch ein wenig die Erwartung des grauen Berlins an einen, der aus dem Morgenland kam. Genau dieses Licht umgibt die Köpfe seines Spätwerks, oder eher: es quillt, leicht beängstigend, aus ihnen selbst hervor.
Die Ausstellung beschreibt den Verlauf seiner Malerei
In der Schau lässt sich schlaglichtartig Marwans Weg zur eigenen Handschrift verfolgen: Vom frühen Informel, das aber auf der Grenze zum Figurativen schon morbide Assoziationen zu zerfledderten Vogel-Kadavern zulässt, zum fleischlich Amorphen der 60er- und 70er-Jahre über den gestischen Farbauftrag schrillbunter Verdrehungen („Marionette“) und die fast altmeisterlich anmutenden Gesichtslandschaften („Das Licht“, letztes Jahr auf der Biennale in Venedig ausgestellt) bis zu jenen Köpfen der letzten Schaffensphase.
Ein Künstler aus Syrien – zuletzt wurde Marwan natürlich auch häufiger zum Bürgerkrieg in seiner Heimat befragt. Bei aller Trauer, die er empfand, wollte er seine Kunst doch von der Aufgabe entbunden wissen, politisch zu sein. Politische Kunst, sagte er einmal, gelinge nur den wenigsten, Goya etwa oder Courbet, „der Rest ist journalistisch“. An Goya und Courbet erinnern tatsächlich manche seiner riesenhaften Gesichter. Sie sind Trümmerhaufen, uralte chemische Ablagerungen, Schmerz. Sie kennen kein politisches Datum und keine Ländergrenzen.
Galerie Michael Haas, Niebuhrstr. 5. Mo.–Fr. 9–18 Uhr, Sbd. 11–14 Uhr. Bis 16. Juni