Ganze sechs Seiten lang war der Antrag aus Aachen an die Unesco. War er in der Kürze so genial formuliert vom damaligen Dombaumeister Leo Hugot? Oder sprach die 1200 Jahre alte Pfalzkapelle Karls des Großen für sich? Bei der Entscheidung 1978, ob der Aachener Dom als erstes deutsches Welterbe in die Unesco-Liste aufgenommen wird, gab es bei der Sitzung in Washington keine Diskussion, wie Dombaumeister Helmut Maintz erzählt. „Den meisten war ja klar, dass der Dom von außergewöhnlichem Wert ist“, ergänzt Kerstin Manz, Leiterin des Fachbereiches Welterbe bei der Deutschen Unesco-Kommission. Die imposante Palastkapelle des Frankenherrschers wurde vor 40 Jahren zum ersten deutschen Welterbe. Zu diesem Jubiläum findet die zentrale Veranstaltung zum Welterbe-Tag am heutigen Sonntag in Aachen statt.
Ein Antrag kann heute schon mal 1000 Seiten umfassen
Heute gibt es in Deutschland 42 Welterbe-Stätten, und ein Antrag kann schon mal 1000 Seiten umfassen. „Der Aspekt, der heute neben dem Erhalt besonders angeschaut wird, ist das Management, das damals nicht im Fokus stand“, sagt Manz. Dabei geht es nicht nur um den Schutz des Welterbes, sondern auch um die nachhaltige Nutzung für die Kommunal- oder Regionalpolitik in den Bereichen Wirtschaft, Verkehr, Wohnen, Umwelt und Stadtgestaltung. Der Fall Dresden zeige, dass das nicht immer gut durchdacht sei, sagt die Welterbe-Expertin.
Dresden steht weltweit für einen von zwei Fällen, in denen der Titel aberkannt wurde: Eine neue Brücke durchschneidet die Kulturlandschaft an ihrer schönsten Stelle. „Im Vorfeld muss man sich überlegen, wie man von dem Welterbe profitieren kann, ohne den Wert der Stätte zu bedrohen“, sagte Manz. Wesentliche Gefährdungsfaktoren für die 1073 Welterbe-Stätten sind laut Unesco Städtebau, Klimawandel und bewaffnete Konflikte. Das Welterbe habe seine Anforderungen über die Jahrzehnte immer wieder angepasst.
In Aachen haben die jährlich 1,2 Millionen Besucher dem Dom zu schaffen gemacht. Feuchtigkeit und Kohlenstoffdioxid setzten dem aufwendig sanierten Marmor zu. Dombaumeister und Welterbe-Manager Maintz sorgte für eine größere Belüftungsanlage. Als Mitglied des Weltdenkmalrates Icomos, der über das Welterbe wacht, sieht Maintz ein steigendes Konfliktpotenzial mit dem Alltag sich ständig wandelnder Städte und Regionen. Wie zuletzt die geplante spektakuläre Hängeseilbrücke im Welterbe Oberes Mittelrheintal.
Maintz sieht zwei zentrale Fragen bei solchen Konflikten: Inwieweit wird durch die Neubauprojekte die Qualität historischer Stadt- und Landschaftsbilder eingeschränkt, also die visuelle Unversehrtheit infrage gestellt? Und: Wie könnte dieser Eingriff vermieden, gemildert oder verträglich gestaltet werden? Zumal Antragstellern nicht immer bewusst sei, dass mit dem Welterbe auch ein Stück Souveränitätsverzicht verbunden sei. Das Problem beginnt aber schon früher: wenn Fachbehörden nicht rechtzeitig miteinander redeten und problematische Planungen vorangetrieben würden, „die an einem Punkt entdeckt werden, wo es eigentlich zu spät ist, um das Rad wieder zurückzudrehen.“
Wenn die Aachener ihr Welterbe im September feiern, denken sie auch wieder ans Geld. Die 30 Jahre dauernde Grundsanierung ist zwar längst abgeschlossen, aber jetzt geht es um den Erhalt dieses Zustandes. Spender können für einen Euro einen Punkt auf einem Bild mit Hunderttausenden Pixeln symbolisch kaufen. Die letzten Jahrzehnte mit großer finanzieller Belastung haben erfinderisch gemacht.