Kultur

Das Südseeboot ist da

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Gabriela Walde

In der Nacht zu Dienstag wurde das erste Großobjekt aus den Dahlemer Museen ins Humboldt Forum gebracht. Dort wurde es in den Ausstellungssaal gehievt

„Wir sind angekommen“, sagt Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. „Hebt an!“ – das Signal darf Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) geben. In wenigen Minuten wird sich die 16 Meter lange, vier Tonnen schwere Klima-Kiste mit dem Südseeboot langsam, ganz langsam in die Höhe bewegen. Mit zwei Hebezügen wird die Box in eine eigens vorgehaltene Maueröffnung in den künftigen Ausstellungssaal im ersten Stock gehievt. Vermutlich die mächtigste Holzkiste, die die Kunstspedition Hasenkamp je gefertigt hat. In der monumentalen Eingangshalle fallen nun die Köpfe in den Nacken: Parzinger zückt sein Smartphone, Grütters ebenso, für beide ist dieser Akt ein Meilenstein: Termingerecht hat das erste und größte Museumsobjekt endlich das Humboldt Forum erreicht. „Der Kulturbetrieb steht vor der Tür“, so Monika Grütters.

Nach all den kritischen Diskussionen über die inhaltliche Gestaltung ist dieser Schritt mit einem „Star“ des Ethnologischen Museums unbedingt ein positives Zeichen: Es geht voran im Humboldt Forum. Etwas abseits hat sich der neue Schlossherr Hartmut Dorgerloh „noch als Gast“ postiert, sein Amt beginnt am 1. Juni, also verzichtet er an diesem Tag auf ein Statement.

In den nächsten Monaten folgen andere Artefakte

In der Nacht zu Dienstag wurde das knapp 120 Jahre alte Luf-Boot mit einem Sondertransport, eskortiert von der Polizei, von Dahlem nach Mitte gebracht. Mit zehn bis 30 Kilometer/Stunde glitt der Lkw mit der überlangen Ladung durch das nächtliche Berlin. Gegen 23.30 Uhr erreichte die heikle Fracht die Baustelle am Schloss, wo sie durch Portal 3 in das Gebäude eingelassen wurde. Wegen der Überlänge war die Fahrt erst ab 22 Uhr genehmigt. Auch im Dahlemer Museumsgebäude musste eine Öffnung geschaffen werden, um das Boot herauszubringen. Nach dem Transfer aller Großobjekte aus Dahlem werden die Betonlöcher im Humboldt Forum zugemauert. Dort kriegt sie keiner mehr raus.

In den nächsten Sommermonaten folgen noch Hunderte andere Objekte aus den außereuropäischen Sammlungen, freilich nicht mit dieser aufwendigen Entourage. Demnächst kommen die Südseehäuser. Für die Restauratoren ist es jedes Mal eine Zitterpartie, wenn Artefakte bewegt werden. Hätte es am Montagabend gewittert, hätte man den Umzug abgesagt. Feuchtigkeit geht gar nicht.

Hinter diesem größten Umzug in der Geschichte der Staatlichen Museen steht eine logistische Hochleistung, wie der Bauvorstand Hans-Dieter Hegner erläutert. Der Natursteinboden in der Eingangshalle musste fertiggestellt sein, um darauf das Gerüst für den Hebezug aufzubauen. Der Ausstellungssaal kommt derzeit noch mit einem einzelnen Klimagerät aus, noch ist das Humboldt Forum Baustelle. Aber das Luf-Boot braucht nun einmal sein Museumsklima: die Luftfeuchtigkeit liegt bei 51 Prozent, die Temperatur bei 21 Grad.

Das Wassergefährt bleibt freilich dick verpackt in seiner Box – wegen der Staubgefahr. Erst nächstes Jahr zur Eröffnung wird es für die Präsentation vorbereitet. „Es ist nicht trivial, unersetzliche und weltweit einmalige Kulturgüter auf einer Baustelle sicher zwischenzulagern“, erklärt Hegner. Für die Sicherheit ist natürlich auch gesorgt.

Das Boot mit Ausleger, um 1900 gebaut, stammt von der Insel Luf, heute zählt sie zu Papua-Neuguinea. Es hat eine lange Geschichte hinter sich. Es taugte für die Hochsee: damit fuhren die Männer in den Krieg oder trieben Handel. Doch es kam gar nicht erst ins Wasser: Es gab keine Männer mehr auf der Insel, die es hätten fahren können. Es blieb im Bootshaus, wo es 1903 Max Thiel für eine Handelsfirma erwarb. Ein Jahr später gelangte es in das damalige Museum für Völkerkunde in Berlin. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es nach Dahlem.

Bootsbau, Navigation, Handel und Migration sind Themen

Nach Jahrzehnten an diesem Standort musste es vor seinem Umzug in die Berliner Mitte gründlich „entlaust“ werden. Nicht selten nisten sich in den natürlichen Materialien kaum sichtbar Insekten, Pilze und Keime ein. Da hilft nur eine Entwesungsprozedur, somit wird alles abgetötet, was nicht dort hingehört. Es soll verhindert werden, dass Ungeziefer mit ins Schloss umzieht. Lars-Christian Koch, der neue Chef des Ethnologischen Museums, sieht starke Themen, die er mit der Ausstellung der Südseeboote vermitteln möchte: Bootsbau, Navigation, Handel und Migration. Das Berliner Naturkundemuseum und der Botanische Garten sind mit im Boot, wenn es darum geht, das historische Umfeld sinnfällig zu rekonstruieren.

Dazu gehört auch, so erzählt Koch, dass Exponate aus der Gegenwart den Bogen zur Vergangenheit schlagen. Die Erzählung werde sich über die Jahre immer mal wieder verändern, ergänzt Hermann Parzinger, schließlich erwarte man im Humboldt Forum „ein lebendiges Museum“.