Letztlich steht der Komponist Krzysztof Penderecki doch nicht am Pult des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin in der Philharmonie. Anne-Sophie Mutter spielt Pendereckis Violinkonzert – bis zum Vormittag noch war der Plan, dass der Maestro wenigstens sein eigenes Stück, wenn schon nicht die anschließende Schostakowitsch-Sinfonie, selbst dirigiert. Doch Penderecki wird im Herbst 85 Jahre alt. Man kann sich die Telefonate des Orchesterbüros mit dem Komponisten lebhaft vorstellen und auch, wie der polnische Altmeister telefonisch in erlesenem Deutsch und mit wachem Geist den Glauben verbreitete, das Dirigat eines zweistündigen Konzerts zuzüglich Proben sei für ihn machbar. Schließlich schrebert der kompositorische Weltstar noch in hohem Alter im Garten seiner Villa bei Krakau munter vor sich hin – jene Villa, mit deren Bau er in den 70er-Jahren die polnische Parteiführung davon überzeugte, dass er von seinen Westreisen im Wochentakt immer wieder zurückkommen würde.
Zumindest bei Schostakowitschs Sinfonie Nr. 15 A-Dur scheint die Orchesterverwaltung des RSB ob Pendereckis hohen Alters vorsichtshalber auch bei dem formidablen Andrey Boreyko angefragt zu haben. Der 60-Jährige, heute Chefdirigent in Florida, dirigiert am Ende des Konzerts den Schostakowitsch. Das Orchester kennt das Werk, Boreyko kennt das Werk, das Orchester kennt Boreyko – trotz etlicher Unschärfen in schnellen Streicherpassagen wird es eine achtbare Leistung.
Denn in dem statischen, resignierten, letzten sinfonischen Koloss von Schostakowitsch steht und fällt alles mit gut disponierten Solobläsern. Klarinettist Oliver Link kann auf Basis eines fokussierten und doch breit flutenden Tons mit Flexibilität den Sarkasmus voll zur Geltung bringen, den Schostakowitsch lebenslang mit diesem Instrument verband. Posaunist Hannes Hölzl legt jeden Ton seines imposanten Solos auf die Goldwaage und verbreitet mit der restlichen Blechgruppe jene Weltuntergangsstimmung, die der von Staat und Partei gebeutelte Russe wohl am trefflichsten in dunkel dräuenden Zitaten seines deutschen Kollegen Wagner aufbewahrt sah. Und der Penderecki in der ersten Konzerthälfte mit der mondänen Solistin Anne-Sophie Mutter im gelben Abendkleid? Ist gegenüber Schostakowitsch eine Ausgeburt der gepflegten Langeweile.