Man merkt es gleich. Hier spielt einer mit der Schönheit und dem Schrecken der Technik. In seinen großformatigen Bildern nutzt Thomas Struth die ganze Kraft der Fotografie – ihre detailgewaltige Präzision, ihre betörende Farbgewalt und ihre nüchternes Erfassen von Strukturen. Mit atemberaubenden Aufnahmen, die nun in der Galerie Hetzler zu sehen sind, nähert er sich dem, was den meisten Menschen verborgen bleibt: Forschungslabore und Hightech-Zentren, kurz Orte, an denen ertüftelt wird, was schon morgen unsere Wirklichkeit sein kann.
In tiefes Türkisblau getaucht sind da riesige Metallgebilde, die etwas Dinosaurierartiges an sich haben. In Braun-Orange-Tönen zeichnet sich eine Apparatur ab, die formal an eine Tonbandkassette erinnert. Menschen sind nirgends zu sehen, nur von Menschen erdachte Maschinen, hochkomplexe technologische Hilfsmittel. Solche Hightech fotografiert Thomas Struth, Jahrgang 1954 und einer der bedeutendsten Fotografen seiner Generation, analog mit einer Plattenkamera, scannt die Negative und vergrößert sie digital ins monumentale Museumsformat. Manipuliert wird hier nichts.
Schon lange beschäftigt sich Struth mit den Orten, an denen sich die naturwissenschaftliche Gedankenwelt materialisiert. Für ihn sind sie „wie Gehirnabdrücke, die zu Skulpturen geworden sind.“ Seine Faszination ist jedoch auch von großer Skepsis getragen. „Manchmal habe ich das Gefühl, der Mensch schafft sich ab. ... Das erschreckt mich“, sagte er in einem Interview und konstatierte in diesem Zusammenhang eine „Überbewertung der Technologie als einziger Heilsbringer.“
In der Naturwissenschaft wird die Natur zum Objekt. Dazu passt Struths Bilderserie von zu Tode gekommenen Tieren: ein Rotfuchs, ein Zebra, ein Seeadler und viele mehr. An ihnen werden Forschungen zu ihrem Schutz unternommen. „Ich habe versucht, die Tiere auf eine schöne und würdevolle Art darzustellen“, kommentiert Struth diese Arbeit. Im Labor vermeintlich frei schwebend vor farbigem Hintergrund oder auf einem Tisch liegend, wirken sie so, als hätten sie gerade den letzten Atemzug getan. Melancholischer und eindrücklicher kann ein Memento mori nicht sein, und so erscheinen die Tiere wie Stillleben, die im Bild noch einmal die Schönheit der Schöpfung im Augenblick ihres Vergehens fixieren.
Tatsächlich muss man wohl das Auge eines Malers haben, um die Dinge so zu betrachten. Deshalb mag es kaum verwundern, dass Struth, bevor er bei Bernd und Hilla Becher an der Düsseldorfer Akademie als einer der berühmten Becher-Schüler neben Andreas Gursky, Candida Höfer und Thomas Ruff Fotografie studierte, zunächst bei Gerhard Richter Malerei lernte. Mit dem Auge des Malers betreibt er eine Fotografie, die gleichermaßen geheimnisvoll wie distanziert ist. Der Blick des Wahlberliners auf die Wirklichkeit bleibt dabei stets analytisch, ausgerichtet auf Zusammenhänge und Strukturen, wie in anderen Serien, die ihn berühmt gemacht haben: seine an psychologische Familienaufstellungen erinnernden Familienporträts, seine Straßenbilder, die Architektur gewordene Ideen zeigen, seine Landschaften, die vom Menschen geformte Natur festhalten und seine Museumsbilder von Besuchern beim Betrachten von Kunst.
Thomas Struth. 27.04.-02.06.2018, Di-Sa 11-18 Uhr. Galerie Max Hetzler, Bleibtreustr. 45 10623 Berlin u. Kurfürstendamm 213, 10719 Berlin.