„Kääse!“ ruft Galeristin Karolin Siller. Der Käse kommt, reicht die Hand, „geboren KAESEBERG, groß geschrieben“, man weiß sofort, es wird ein gutes Gespräch. Käse, sorry, Kaeseberg hat Humor und hält nichts von künstlerischem Dünkel. Man kann ihn sich nur schwer champagnerselig auf irgendwelchen glamourösen Vernissagen vorstellen. In Berlin zeigt er nun in der Pohlstraße – unweit der quirligen Kunstmeile Potsdamer Straße – seine Bilder und Objekte, parallel dazu läuft bei Siller Contemporary in Hamburg eine Schau. „Schönheit & Protest“ titelte er beide.
Häufig denken die Leute, Kaeseberg gehöre zu den Künstlern der Neuen Leipziger Schule. Er arbeitet seit Mitte der 90er-Jahre in der alten Leipziger Baumwollspinnerei, dort, wo Vorzeigemaler Neo Rauch sein Atelier hat. Bis Mitte der 90er-Jahre vertrat ihn Judy Lybke (Eigen + Art), der einen wesentlichen Anteil am Aufstieg der jungen, malenden Bilderstürmer hatte. Dann war Schluss mit Judy und Eigen + Art. Anders als die Leipziger Maler kommt Kaeseberg nicht vom Figürlichen, vom Malerischen, sondern von der Abstraktion, die bis hin zu Farbfeldern reicht. Konstruktivismus, Minimalismus, Dada, daher kommen seine Inspirationen, auch von Joseph Beuys, dessen früh verstorbener Schüler Blinky Palermo ist aber sein größtes Ideal. Mit dem „Leipzig-Malerschulen-Zeugs“ will er nichts zu tun haben, zu akademisch. Als Maler bezeichnet er sich ohnehin nicht, weil er keine „schwere Painture“ mache, sagt er, bei ihm käme viel aus dem Zeichnerischen. Bilder sind bei ihm große, reduzierte Zeichnungen. Und wenn er auf Leinwänden arbeitet, collagiert er dort immer mit Papier, Stoff ist manchmal dabei. Immer auch sind Wörter, kleine Sätze als Text ein wichtiger Bestandteil des Bildes. Von Anfang an arbeitet er breit aufgestellt, Objekte, Skulpturen, Installationen sind dabei, früher hat der 54-Jährige auch Performances gemacht. Er trennt die Techniken nicht, er arbeitet nach dem „Lustprinzip“, wie es die Räume hergeben oder wie er „so drauf“ ist. Nach einer wohl kalkulierten Künstlerkarriere klingt das nicht.
Bei der Zeichnung ist er geblieben, sie ist ein schnelles, flexibles, mobiles Medium. Bei Siller Contemporary kann man wunderbare Arbeiten auf hauchdünnem Seidenpapier sehen. Pilze, Quadrate oder Schriftzüge („radical view“): hier winkt die Pop-Art, faszinierend ist die kräftige, leuchtende, absolut deckende Farbigkeit dieser Blätter. Das liegt an der Kaseinfarbe, die auf Quark basiert und keinerlei Licht reflektiert. Seit es Acrylfarbe gibt, benutzt sie kaum ein Künstler mehr. Gut für Kaeseberg. Wir stehen vor einem 1,40 Meter großen Bild mit einem grünen Schiffswrack, das aussieht wie ein gestrandeter Fisch auf dem Röntgentisch. „Forgiven VIII“, ein „Ausreißer“, so nennt es Kaeseberg, es handelt sich ja um ein konkretes Motiv. Ein sehr literarisches, man könnte es sich gut auf einem Buchcover vorstellen. Literatur sei eine Inspirationsquelle für ihn, erzählt der Künstler, das Boot sei ein Zeichen für Existenzielles, den Tod, das Unverrückbare, das Melancholische, das Tiefe. So ist er, der Kaeseberg. Alles hat dann doch irgendwo seinen Platz.
Siller Contemporary, Pohlstraße 37. Di.–Sbd. 10 bis 18 Uhr. Verlängert bis 11. Mai