Ach, die armen Reichen. Sie haben alles, was das Herz begehrt. Sie müssen sich nicht um die Zukunft sorgen. Da liegen sie denn tags am Pool oder schwenken abends ihren Weinbrand. Und fühlen doch nur Leere und Langeweile. Wie das der Müller-Todts in Oskar Roehlers neuem Film „Herrliche Zeiten“. Er, Claus (Oliver Masucci), ein Schönheitschirurg, der den Reichen den Wohlstandsspeck absaugt, und sie, Evi (Katja Riemann), eine Gartenarchitektin, die ihnen das Heim heimeliger gestaltet, haben sich in ihrer Blase selbst fett eingerichtet.
Der Gatte genießt den Wohlstand mit Hang zur Egozentrik, seine Frau begegnet der Instabilität der Welt da draußen vor ihren Gartenhecken immerhin mit standesgemäßen Neurosen. Als ihnen eines Tags die genervte Haushaltshilfe den Putzlappen vor die Füße wirft, kommt dem Hausherrn eine anmaßende Idee. Er gibt eine Suchanzeige auf: „Sklave/in gesucht“.
Sklave gesucht: Erst melden sich S/M-Fetischisten
Am nächsten Tag steht eine ganze Horde von Leuten vor der Tür. Was erst einmal kein Anzeichen von Armut und Massenarbeitslosigkeit im Lande ist, sondern ein Missverständnis. Die Bewerber stehen da nämlich in Lack, Leder und Hundeleinen und haben bei der Annonce an Sexspielchen gedacht. Als sie alle entrüstet abgewiesen sind, erscheint doch noch ein überaus kultivierter Mann, Bartos (Samuel Finzi), der sich den Müller-Todts ganz im Ernst als Knecht andient. Der dafür noch nicht mal Geld nehmen will, nur das Recht, im Gartenhäuschen eine bescheidene Unterkunft beziehen zu dürfen.
Er bringt noch seine Frau Lana (Lize Feryn) mit, und beide umsorgen und verwöhnen die Müller-Todts, wo es nur geht. Der Butler, ein Pleite gegangener Hotelmanager, kredenzt nicht nur selbst zubereitete Haute-Cuisine-Menüs, er drückt seinen Herrschaften auch noch die Zahnpasta auf die Bürsten. Und die schöne, junge Lana verwöhnt das Ehepaar mit Massagen und Wellnessangeboten. So muss sich das Paradies anfühlen. Entspannungsurlaub als Endlosschleife.
Aus herrlichen werden herrische Zeiten
Aber die im Titel angekündigten herrlichen Zeiten werden schon bald herrische Zeiten. Denn die Filmfarce zeigt bissig-böse, was der Umstand aus uns macht, wenn man uns zu Herren stilisiert und bis zur Selbstverleugnung vor uns katzbuckelt. Zeigt auch, wie wenig unsere scheinbar so aufgeklärte Zivilisation von der Barbarei entfernt ist. Der Schönheitschirurg nimmt die Unterwerfung allzu willig an und entwickelt Allmachtsgelüste, die er bald auch an Patienten und Geschäftspartnern auslässt. Und findet ein finsteres Vorbild in einem neuen Nachbarn. Der, ein arabischer Ölprinz, fährt die dicksten Autos, schert sich nicht um Gesetze und feiert archaische Orgien, bei denen Sklavendienste dann doch auch sexuell gemeint sind. So ein fettes Leben will Müller-Todt auch ungeniert ausleben.
Auch wenn die neurotische Gattin bei alledem langsam Skrupel beschleichen, nimmt der Hausherr sogar das Angebot des Knechts an, über dessen junge Frau gänzlich zu verfügen. Und lässt es sogar geschehen, dass Bartos zum Ausheben eines Pools einen ganzen Bus bulgarischer Schwarzarbeiter ankarrt. Damit aber stehen all die Probleme der Welt, die man so gern ausblenden wollte, plötzlich mitten im eigenen Grundstück. Und das Paradies wird zur Hölle.
Befreiungsschlag für Oskar Roehler
Nachdem Oskar Roehler zuletzt mit „Quellen des Lebens“ und „Tod den Hippies! Es lebe der Punk“ seine eigene Biographie und Traumata filmisch austherapiert hat, zeigt er uns nun mit „Herrliche Zeiten“ wieder, was für ein brillanter, bitterböser Gesellschaftskritiker er ist. Der wie einst ein Luis Buñuel oder Claude Chabrol die sogenannten besseren Kreise vorführt und kühl seziert.
Über weite Strecken gelingt Roehler hier eine ganz treffliche, immer nur dezent übersteigerte Parabel auf die saturierte Wohlstandsgesellschaft, die schon alles besitzt und doch immer noch mehr haben will. Und die Verlierer dieser Gesellschaft auch noch zu eigenen Zwecken ausbeutet. Die Hauptdarsteller, allen voran Oliver Masucci und Katja Riemann, wissen dieses ätzende Kammerspiel genüsslich auszuspielen, ohne ihre Figuren zu Karikaturen zu degradieren.
Am Ende fragt man sich freilich, wie weit Roehler mit seiner ätzenden Bestandsaufnahme gehen wird. Wie weit sich Menschen heutzutage als moderne Leibeigene ausnutzen lassen, um auch ihren Anteil am Kuchen abzubekommen. Aber dann sieht man sich doch enttäuscht, wenn sich der Film am Ende auf eine Genre-Farce zurückzieht und die Unterwürfigkeit des Knechts auch nur eine andere Form von Unterwerfung im Sinne hat, die man überdies früh ahnt. Und doch muss man den Film als Befreiungsschlag Roehlers werten nach seiner allzu erschöpfenden Beschäftigung mit der eigenen Biographie.
AfD-Nähe - Filmverleih: Film sei nur frei nach dem Roman entstanden
Dumm nur, dass auch sein Film dabei von Realitäten unserer Tage eingeholt wird, die er lieber ausblenden würde. „Herrliche Zeiten“ basiert auf dem Roman „Subs“ von Thor Kunkel. Ein Autor, der, wie der Verleih es darstellt, zum Zeitpunkt der Niederschrift „noch ein politisch unbeschriebenes Blatt war“. Tatsächlich hat Kunkel in seiner Nebentätigkeit als PR-Manager nicht nur Firmen wie Coca Cola und Levi’s oder das Bundesministerium für Bildung und Forschung beraten, sondern war auch an einer Wahlkampagne für die AfD beteiligt.
Weshalb man sich nun bemüßigt fühlte zu betonen, dass der Film nur frei nach Motiven des Romans entstanden sei. Daraufhin warf Kunkel dem Filmverleih vor, ihn wegen seiner AfD-Nähe totzuschweigen. Roehler nahm Kunkel zuletzt in Schutz. Und nun schauen viele den Film nur noch unter dem Aspekt, ob da rechtes Gedankengut herauszulesen ist und wie rechts gar Roehler selbst positioniert ist. Auch das sind bundesdeutsche Gegebenheiten, die sich fast zur Farce entwickeln.