Friedrichstadt-Palast

Berlin feiert Mireille Mathieu mit Standing Ovations

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Ulrike Borowczyk
Mireille Mathieu auf der Bühne (Archivbild)

Mireille Mathieu auf der Bühne (Archivbild)

Foto: dpa

Die Chanson-Ikone tritt im Friedrichstadt-Palast auf - und überzeugt mit zartem Tremolo und charismatischer Bühnenpräsenz.

Berlin. Trommelwirbel und stehende Ovationen, noch bevor etwas Nennenswertes auf der Bühne passiert. Doch dann erklingt sie, diese glasklare, weltberühmte Stimme mit dem zarten Tremolo und dem gerollten R, die so unverwechselbar ist: Mireille Mathieu singt „Il faut croire“. Der französische Star auf Stippvisite im Friedrichstadt-Palast. Der schwarze Pagenkopf sitzt so perfekt wie der rote Lippenstift. Und das selbstredend schwarze, knielange Kleid auch. Es ist eine Reminiszenz an ihr großes, künstlerisches Vorbild noch aus Kindertagen: Chanson-Ikone Edith Piaf trug auf der Bühne stets Schwarz.

Die charismatische Bühnenpräsenz der gerade mal 1,53 Meter großen Mathieu ist auch nach über fünf Jahrzehnten im Showbusiness ungebrochen. 1966 gab sie ihr erstes Deutschland-Konzert, übrigens im Friedrichstadt-Palast. Auch zu ihrem 50. Bühnenjubiläum machte sie 2015 hier Station. Nun ist sie zurück auf ihrer Welttournee 2018 und macht diesen Abend zu einem Triumph. Die Zuschauer liegen ihr zu Füßen. Nach jedem Lied schenken sie ihr Blumen. Ein Ordner steht bereit, der Blumen und Präsente flugs hinter die Bühne verfrachtet.

Eine Diva mit Bodenhaftung

Die Mathieu bedankt sich bei jedem Einzelnen, lässt sich umarmen, auf die Wange küssen, herzt ihrerseits. Spontane Selfies inklusive. Ihr sympathischer Umgang mit den Fans ist später das Pausengespräch auf dem Damen-WC. „Sie ist so nett und freundlich“, schwärmt Jeanne (52) selbst gebürtige Französin, aber schon seit über 20 Jahren in Charlottenburg zu Hause. Für sie ist Mireille Mathieu französisches Nationalheiligtum und Kult zugleich. „Sie auf der Bühne zu sehen, ist ein unglaubliches Geschenk.“

Wie man es von ihr kennt, parliert Mireille Mathieu in der jeweiligen Landessprache. Dass sich ihr Deutsch nicht nur auf das übliche „Dankeschön“ beschränkt, beweist sie, als ein besonders galanter Herr sie umarmt: „Berlin ist heiß, oder?!“, scherzt sie. Wer würde dem nicht zustimmen. Natürlich singt Mireille Mathieu auch viele ihrer deutschsprachigen Erfolge wie „Hinter den Kulissen von Paris“ und „An einem Sonntag in Avignon“. Ebenso wie ihre Millionenseller „Akropolis Adieu“ oder „La Paloma ade“ aus den 70er-Jahren.

Die Interpretationen sind so fantastisch, dass einem sogar als Schlagerverächter das Herz aufgeht. Einzig die oft zu süßlich und glatt geratenen Arrangements der elfköpfigen Band wünscht man sich oft an diesem Abend ausgefeilter, luzider und mit mehr Kanten. Natürlich singt Mireille Mathieu aber auch Piaf. Dabei zeigt sie ihr ganzes Können. Ihre Version des Klassikers „L’hymne à l’amour“ ist einfach ganz großes Kino. Gefühl pur. Man möchte die Wiederholungstaste drücken, wenn das in einem Livekonzert möglich wäre.

Von Schlager bis Chansons

Lange Zeit wurde Mireille Mathieu in Deutschland vor allem als Schlagerstar wahrgenommen. In ihrer Heimat gilt sie seit jeher als Inbegriff des Chansons, was ihr, in Anlehnung an Edith Piaf, auch den Spitznamen „Der Spatz von Avignon“ bescherte. 1946 wurde sie in Avignon als älteste von insgesamt 14 Geschwistern in einfachen Verhältnissen geboren. Mit Disziplin und Leidenschaft sang sie sich nach ganz oben. International hat Mireille Mathieu den Rang eines Weltstars. 1986 war sie die erste westliche Künstlerin, die in China auftrat. Sie sang unter anderem mit Plácido Domingo, Charles Aznavour und Tom Jones. Sie nahm über 1200 Songs in elf Sprachen auf und ein Ende ihres Erfolgs ist nicht abzusehen. Auch nicht mit fast 72 Jahren.

Man sieht ihr das Alter kaum an. Nur das Gehen bereitet ihr leichte Pro­bleme. Aber die Strahlkraft ihrer Stimme ist ungebrochen. Nicht nur sprachlich steht Mireille Mathieu ein breites Spektrum zur Verfügung, sie wechselt auch problemlos zwischen den Genres. So wird es bei „Ce n’est rien“ richtig rockig. Leise Töne hingegen schlägt sie bei ihrem Chanson „Un dernier mot d’amour“ an. Zum Dahinschmelzen schön. Die Berliner danken ihr für das sensationelle Konzert mit lang anhaltendem Jubel.