Regie-Debüt

„Wildes Herz“: Charly Hübner setzt ein Zeichen gegen Rechts

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Peter Zander
Charly Hübner zog als junger Mann von Mecklenburg-Vorpommern nach Berlin. Seine Wahlheimat wurde Hamburg

Charly Hübner zog als junger Mann von Mecklenburg-Vorpommern nach Berlin. Seine Wahlheimat wurde Hamburg

Foto: Reto Klar / Berliner Morgenpost / Reto Klar

Mit seinem Regie-Debüt „Wildes Herz“ setzt „Polizeiruf“-Star Charly Hübner ein Signal gegen rechte Kräfte in Mecklenburg-Vorpommern.

Berlin.  Heimat, lange war das in Deutschland ein nahezu verpöntes Wort für Rückwärtsgewandte, die in folkloristischen Traditionen verharren, mutmaßlich um sich abzuschotten. Inzwischen wird öffentlich viel über den Begriff und seine komplizierte Bedeutung nachgedacht. Zeitgeist-Magazine wie „Neon“ fragen auf ihren Titeln, ob Heimat nun ein Ort ist oder doch eher ein Gefühl.

Wie so viele, die sie verlassen haben, hat auch Schauspieler Charly Hübner (45) ein gespaltenes Verhältnis zur Heimat. Der Wahl-Hamburger, den meisten bekannt als Rostocker „Polizeiruf“-Ermittler Alexander Bukow, wuchs als Gastronomensohn bei Neustrelitz in Mecklenburg-Vorpommern auf. Zur Wende war er 17 Jahre alt, Anfang der 90er verließ er sein Bundesland, auch wegen der rechten Gewalt.

„Wildes Herz“ ist ein Porträt über Jan Gorkow

Er sei auch weggegangen, „weil es mir auf den Sack ging, ständig in Trouble zu geraten“, sagt er unserer Redaktion. „Es gab kein Schulfest, ohne dass wir überfallen worden wären. Manchmal habe ich im Theater geschlafen, weil die mir aufgelauert haben. Ich war so müde von dieser blöden Gewalt.“

Nun, 25 Jahre später, hat er einen Film gedreht über einen, der ge­blieben ist. „Wildes Herz“ (aktuell im Kino) ist Hübners Regie-Langfilmdebüt und ein Porträt über Jan Gorkow (31), genannt Monchi, Sänger der Punkgruppe Feine ­Sahne Fischfilet. Der lehnt sich mit seiner Band lautstark gegen rechts auf und bekämpft alles, was dazu führt, dass das schöne Mecklenburg-Vorpommern manchmal so einen hässlichen Ruf hat. „Genau diese Zerrissenheit, diese paradiesische Landschaft, dieses Rechts-Pro­blem, wollte ich aufzeigen“, erklärt Hübner die Idee zu seinem Film.

Der Film soll Mecklenburg-Vorpommern verteidigen

Hübner traf Monchi bei Dreharbeiten in Rostock und erkannte in ihm direkt jemanden, „dessen Ambivalenz sichtbar ist“. Er bewundere Leute wie ihn, die ihre Heimat nicht aufgeben wollen und verteidigen.

Indirekt mitverantwortlich für seinen Film sei auch die Bochumer Familie seiner Frau gewesen, der Schauspielerin Lina Beckmann. Dort habe man ihm einmal gesagt, man würde niemals nach Mecklenburg-Vorpommern fahren, „wegen der Nazis“. Das habe ihn „total getroffen“. Seine Dokumentation sei nun seine Art, für die Region einzustehen.

Tagebuchschreiben half Hübner aus einem Loch

Eine Region, die Hübner einst für das nahe und doch ferne Berlin eintauschte. „Im Nachhinein das Beste, was einem jungen Menschen passieren konnte in den 90er-Jahren“, sagt er.

Er studierte Schauspiel, wurde Theater-Star, hatte rund 35 große Rollen. Mit 30 Jahren kamen dann Sinnkrise, Erschöpfung, Krankheit. Die Ärzte verschrieben ihm Kortison gegen Hautausschläge. Was ihm aber half, war das Tagebuchschreiben. Auf diese Weise sortierte Hübner sich neu. Er bewarb sich mit einem selbst gedrehten Mini-„Tatort“ bei Agenturen – und schaffte eine zweite Karriere als Fernseh- und Kinoschauspieler, etwa als Stasi-Offizier im Oscar-prämierten Film „Das Leben der Anderen“ (2006) von Florian Henckel von Donnersmarck.

Für die Rolle eines Psychopathen bekam er die Goldene Kamera

Das Filmstar-Aussehen eines Til Schweiger oder Moritz Bleibtreu besaß er nie, dafür bescheinigte ihm jetzt das ARD-Kulturmagazin den „Sex-Appeal, den Mick Jagger vor 40 Jahren hatte“. Besser noch: Der Zuschauer vergisst den Schauspieler hinter der Figur, wenn Hübner spielt. Sein Aussehen hilft dabei, in Rollen scheinbar ganz normaler Menschen zu schlüpfen – wie in die eines hilfsbereiten Mieters, der sich in dem Thriller „Unter Nachbarn“ als Psychopath entpuppt. Dafür bekam er 2013 die Goldene Kamera. Komisches Talent zeigte er beispielsweise als Sketch-Partner von Anke Engelke in der Reihe „Ladykracher“.

Die Herkunft holte ihn dann wieder mit seiner bisher berühmtesten Rolle ein: Seit 2010 sorgt Hübner als eigenwilliger Rostocker Kommissar Alexander Bukow im ARD-„Polizeiruf 110“ gemeinsam mit Anneke Kim Sarnau als Kommissarin Katrin König für Lokalkolorit.

Mit Heimatgefühl verbindet er nur seine Familie

Was aber ist nun Heimat für Hübner? Mecklenburg-Vorpommern, sagt er. Auch wenn er dort nach wie vor angefeindet wird. So habe der Landesverband der AfD versucht, Fördergelder zurückzufordern, die er von der Filmkommission für „Wildes Herz“ erhalten hat.

Doch für ihn stehe sein Bundesland eben auch für „seine Landschaft, seine bodenständigen Menschen“. Mit dem Begriff „Heimatgefühl“ allerdings verbinde der Vater einer Tochter eher seine Familie, das Nest also, „wo das unruhige Wesen in mir zur Ruhe kommt“. Auch wenn er dabei gern laut Musik hört.