Kultur

Zwischen Hitzewallungen und Rentnersex

| Lesedauer: 3 Minuten
Ulrike Borowzcyk

Komikerin Sissi Perlinger gastiert bei den Wühlmäusen

Versteinerte Mienen bei den Herren im Publikum. Die Wechseljahre sind absolut nicht ihr Thema. Die Frauen indes kichern immer lauter, als Sissi Perlinger über ihre Hitzewallungen schwadroniert. Die meisten kennen das aus eigener, oft leidvoller Erfahrung. Witze über diesen ganz persönlichen Sommer, der im tiefsten Winter sogar die Heizkosten senkt, sind höchst willkommen. Und Sissi Perlinger weiß, mit ihr als Galionsfigur auf der Titanic wäre der Luxusliner nie gesunken. Wie ein heißes Messer durch ein Zitronensorbet wäre das Schiff durch den Eisberg geglitten.

Nicht nur den Herren fällt es schwer, bei jedem Gag an diesem Abend in den Wühlmäusen zu lachen. Was wohl auch daran liegt, dass die Komikerin in ihrem Programm „Ich bleib dann mal jung!“ mehr oder minder um ein einziges Thema kreist und es bis zur Neige ausgequetscht: das Älterwerden. Ein Thema, das schon zahlreiche Selbsthilfebücher gefüllt hat. Kein Gag, der nicht darüber gerissen, kein Spruch, der nicht gesagt wurde. Mit anderen Worten: Man kann zwar aus dem Vollen schöpfen, läuft aber gleichzeitig Gefahr, in einem Meer aus Kalauern zu versinken.

Natürlich lässt auch Sissi Perlinger kein Klischee aus. Etwa wenn eine der von ihr gespielten Alten den letzten Platz beim Senioren-Marathon macht, weil sie den Startschuss nicht gehört hat. Die bayerische Comedian erklärt zudem unermüdlich, wie man es im Alter noch mal ordentlich krachen lassen oder heiteren Seniorensex haben kann. Geht auch mit Stützstrümpfen. Die Komikerin empfiehlt Kiffen für einen vergnügten Lebensabend: „Nicht ins Gras beißen, sondern es rauchen!“ Einer der besseren Kalauer.

Vor allem aber schlüpft die Perlinger unentwegt in neue Rollen und fantasievolle Kostüme. Ihr Markenkern sozusagen. Dafür wurde die Diva unter den Kabarettistinnen bereits in den Neunzigern auf dem Höhepunkt ihres Erfolges gefeiert und gleich mehrfach preisgekrönt. Ein schillernder Paradiesvogel in der eher grauen Scherzfacharbeiterbranche, vorzugsweise im Leopardenlook. Gern mit roten Herzchen verziert. Stets ein bisschen derb und schrill. Und immer hochmusikalisch, wie sie auch diesmal mit ihren Songs und einer formidablen Dreieinhalb-Oktaven-Stimme beweist.

Wirklich gut ist Perlinger, wenn ihre Seniorinnen das Alter nicht verklären, sondern ihm gelassen mit Witz begegnen. Wenn es kein frisches Gemüse in der Küche gibt, sondern nur was aus der Dose mit ordentlich Konservierungsstoffen darin, weil man die ja bekanntlich im Alter gut gebrauchen kann.

Perlingers Endsiebzigerinnen lieben bunte Tupfer in ihrem Leben. Beige als bevorzugte Seniorenfarbe ist für sie inakzeptabel. Jugendwahn auch. Facelifting? Nein, danke. Warum kernsanieren, wenn man spachteln kann? Make-up wird halt großzügig in Baumarkt-Dimensionen aufgetragen, bevor es ab auf die Party geht, auf der die Knochen knarzen. Spätestens nach der Pause aber ist die Luft raus. Hektisch hängt die Perlinger da noch eine Nummer an die nächste. Ganz so, als wolle sie wirklich jeden Aspekt des Alters durchdeklinieren und abarbeiten. Aber eigentlich ist da schon alles gesagt.

Was sauer aufstößt, ist der pädagogische Impetus, der die Perlinger im zweiten Teil zu erschreckend salbungsvollen Sätzen verleitet. Etwa: „Nur wer an eine freudige Zukunft glaubt, kann diese auch gestalten.“ Sentenzen dieser Art erwartet man im Lifestyle-Seminar zur Selbstoptimierung. Nicht aber im Kabarett. Da hört man lieber Mae Wests berühmtes Zitat: „Altwerden ist nichts für Feiglinge.“

Wühlmäuse, Pommernallee 2-4, Charlottenburg. Karten: 30 67 30 11. Heute, 20 Uhr

( Ulrike Borowczyk )