Nach der Verleihung gibt es Empörung über den Echo-Preis für Hip-Hopper Kollegah und Farid Bang und ihre antisemitischen Texte.

Davon hatten die Veranstalter seit Jahren geträumt: Dass die Verleihung des Echo, bei dem sich die Musikindustrie in ermüdender Regelmäßigkeit selbst feiert, am kommenden Tag in aller Munde sein würde. Am Freitag war es so weit. Nicht allerdings wegen einmaliger Showeinlagen bei der Gala unter dem Funkturm am Donnerstagabend oder glamouröser Auftritte von Stargästen wie Kylie Minogue und Helene Fischer. Sondern weil der wichtigste Musikpreis Deutschlands für ein Album mit antisemitischem Text verliehen wurde. Die Entscheidung sorgte am Freitag bei Künstlern und Verbänden für empörte Reaktionen. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, sprach etwa von einem „Skandal“. Die Entscheidung: „Eine Schande.“

Auslöser ist die Vergabe eines „Echo“ in der Kategorie „Hip-Hop/ Urban national“ an die Rapper Kollegah und Farid Bang für ihr Album „Jung brutal gutaussehend 3“ (JBG3). Wie im Genre „Battle-Rap“ üblich, übertreffen sie sich darauf mit gewaltverherrlichenden, menschenverachtenden Texten. Im Albumtitel „0815“ findet sich die Zeile: „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“. An anderer Stelle heißt es auf dem Album: „Mache wieder mal ’nen Holocaust, komm’ an mit dem Molotow.“ Die Nominierung des Duos hatte bereits im Vorfeld der Echo-Verleihung für scharfe Kritik gesorgt. Ausgerechnet am Internationalen Holocaust-Gedenktag ging dann der Preis an die beiden Rapper.

Dass das Album in die engere Wahl kam, liegt am Auswahlprozess. Die Echos werden vom Bundesverband Musikindustrie (BVMI) in 22 Kategorien verliehen. Die jeweils fünf erfolgreichsten Acts oder Bands kommen auf die Shortlists. Dies erfolgt nicht nach künstlerischen Maßstäben, weshalb die meisten deutschen Sänger, Musiker, Songschreiber und kleinen Plattenfirmen dem Echo seit Langem nur mit Spott und Verachtung begegnen. Allein die Hitparadenplatzierungen zählen. Also die Verkäufe.

Echo-Beirat spricht von "absolutem Grenzfall"

Um etwas gegen den zunehmenden Ansehensverlust zu unternehmen, riefen die Veranstalter Fachjurys ins Leben. 550 Juroren gab es 2018. Jeder wählt in seiner Kategorie aus den je fünf Nominierten seinen Favoriten. in der Hip-Hop-Jury sitzen Rapper, etwa Fettes Brot und Peter Fox, sowie Vertreter von Musikindustrie und Medien. Am Ende wird alles addiert, wobei die Verkäufe erhebliches Gewicht behalten, und ein Gewinner ermittelt.

Die Nominierung von „JBG3“ und die absehbare Ehrung mit dem wichtigsten deutschen Musikpreis sorgten dafür, dass der Bundesverband seinen Echo-Beirat in Stellung brachte, der in umstrittenen Fällen eingeschaltet wird. Deren Sprecher Wolfgang Börnsen teilte Anfang März mit, man habe mehrheitlich entschieden, dass mit „0815“ die künstlerische Freiheit nicht derart wesentlich übertreten wurde, dass ein Ausschluss gerechtfertigt wäre. Es handele sich „um einen absoluten Grenzfall zwischen Meinungs- und Kunstfreiheit und anderen elementaren Grundrechten“.

Am Freitag mehrten sich die prominenten Wortmeldungen, die dem scharf widersprachen. Der langjährige „Bild“-Chefredakteur und Vorsitzende des Freundeskreises Yad Vashem in Deutschland, Kai Diekmann, sagte auf Anfrage: „Ich kann Wolfgang Börnsens Einschätzung nicht nachvollziehen. Das ist kein Grenzfall, sondern ein klarer Fall von Antisemitismus.“ Es sei erschreckend, „dass in Deutschland der Konsens darüber, was gesagt werden kann, und was nicht, verloren geht.“

"Die Entscheidung ist eine Schande"

Josef Schuster, Präsident des Zen­tralrats der Juden in Deutschland sagte: „Die Entscheidung, den beiden Rappern Kollegah und Farid Bang den Deutschen Musikpreis Echo zu verleihen, ist eine Schande. Rapper, die für Millionen von Jugendlichen ein Idol sind und diese wiederum mit antisemitischen und menschenverachtenden Musiktexten beeinflussen, dürfen keine Akzeptanz der Gesellschaft erfahren und erst recht keine Preise hierfür gewinnen.“ Satiriker Jan Böhmermann tweetete knapp: „Uncool & erbärmlich“. Außenminister Heiko Maas (SPD) teilte ebenfalls auf Twitter mit: „Antisemitische Provokationen haben keine Preise verdient, sie sind einfach widerwärtig. Dass am Holocaust-Gedenktag ein solcher Preis verliehen wird, ist beschämend.“

Der neue Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte in einem Beitrag für die „Bild“-Zeitung: „Solche Zeilen verletzen nicht nur Holocaustüberlebende, sondern auch ihre Familien“. Einem Bericht von „Focus Online“ zufolge wird Autohersteller und Echo-Sponsor Skoda sein Engagement neu bewerten. Fest steht die Entscheidung des WDR. Dort zog man Konsequenzen aus dem Echo-Debakel, das Privatsender „Vox“ übertragen hatte: Intendant Tom Buhrow sorgte dafür, dass in den Radioprogrammen des Senders „Jung brutal gutaussehend 3“ nicht gespielt wird.

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