Kultur

Nichts verlernt

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Ulrike Borowczyk

Rock-’n’-Roll-Star Peter Kraus beherrscht noch die schwungvollen Posen. Im ausverkauften Friedrichstadt-Palast zeigt er eine Show der Extraklasse

Ein Konzert mit dem Jazzstandard „I Can’t Give You Anything But Love“ zu beginnen, statt mit einem Hitkracher, können sich nur die ganz Großen der Musikbranche erlauben. Peter Kraus gehört ohne Frage dazu. Sechs erfolgreiche Jahrzehnte im Showbusiness sind beredter Beweis genug. Eigentlich hatte sich Kraus bereits 2014 von der Bühne verabschiedet. Doch dann wurde es ihm zu langweilig. „Herzlich willkommen zu einer neuen Abschiedstournee“, begrüßt er die Zuschauer im ausverkauften Friedrichstadt-Palast daher selbstironisch. Und hat damit alle Lacher auf seiner Seite.

Kraus legt noch einen drauf: „Den Barhocker hier habe ich nicht für mich mitgebracht. Der ist für den Bassisten. Er geht jetzt auf die Fünfzig zu“, scherzt der ewig junge 79-Jährige. Vom Scheitel bis zur Sohle ein Entertainer. Nach wenigen Minuten ist die Stimmung im Saal auf hoher Betriebstemperatur.

Peter Kraus gelingt eine Show der Extraklasse. Wie sein Album, heißt auch die Tour „Schön war die Zeit!“. Eine Hommage an die Kulthits der 50er und 60er. Damals startete der Rock ’n’ Roll seinen Siegeszug um den Globus. Peter Kraus stand an vorderster Front. Ein Rebell der ersten Stunde, der mit wildem Herzen ansang gegen die schlagerselige Piefigkeit der 50er-Jahre.

Als er Bill Haleys „Rock Around The Clock“ hörte, wollte er unbedingt selbst auf die Bühne. Der Song darf natürlich auch jetzt bei seinem Konzert nicht fehlen. Kraus klingt noch genauso frisch und fordernd wie zu Beginn seiner Karriere. Verlernt hat er auch nach über 60 Jahren nichts. Er kann sie noch, diese schwungvollen Moves und Posen, die Songs wie Little Richards „Tutti Frutti“ erst die richtige Rock-’n’-Roller-Attitüde verleihen. Für seine aktuelle Tournee hat sich der Vollblutmusiker einen besonderen Luxus gegönnt: Neben seinen eigenen Songs singt er Lieder seiner Idole wie Fats Domino und Tom Jones. Dazu kommen Lieblingshits wie Bill Ramseys „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“. Live gespielt von einer sechsköpfigen Band ohne technischen Bombast, sondern überwiegend akustisch. Das Ergebnis ist ein überaus schöner, klarer und warmer Sound.

So beamt Kraus sein Publikum gekonnt zurück in frühere Jahre. Gibt es im ersten Teil die Rock-’n’-Roll-Ära im Zeitraffer, ist der zweite Teil deutlich ruhiger. Mehr Songs mit viel Gefühl. Auch, wenn keine Unterwäsche mehr auf die Bühne fliegt, wie in früheren Jahren bei Kraus üblich, schauen einige Damen ihn mächtig verliebt an. Keine Chance, Mädels! Peter Kraus feiert nächstes Jahr Goldene Hochzeit. Auch mit fast 80 weiß er immer noch, wie man Frauenherzen höher schlagen lässt.