Kultur

Eine große Explosion künstlerischer Kraft

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Felix Müller

Was machte die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz unter Frank Castorf so besonders? Eine letzte Bilanz wird in einem Berlinale-Film gezogen

Als sich die Intendanz von Frank Castorf im November 2016 dem Ende näherte, fanden sich in der Kulturberichterstattung auch Stimmen mit dem Credo, nun müsse es doch wirklich auch mal genug sein nach 25 Jahren, das sei schließlich eine total lange Zeit und auch die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz brauche Veränderung. Ein Überdruss am Abschiedsschmerz hatte sich breitgemacht. Die Entfernung des „Ost“-Schriftzugs vom Dach des Hauses und die Demontage des davor stehenden Räuberrads wurden als pathetische Gesten verlacht. Die Stadt sah sich gespalten wie seit langer Zeit nicht mehr: Da waren jene, die Verlust empfanden und das zeigten. Und da waren jene, die das albern und abgeschmackt fanden.

Nun ist das Gedächtnis der Kulturjournalisten oft kurzlebig. Ausgefochtene Debatten kommen selten zur Wiedervorlage. Und doch wäre es interessant, gerade die gönnerhafte Nun-habt-euch-nicht-so-Pose jener Zeit noch einmal auf den Prüfstand zu stellen: Im Lichte der bisherigen Leistungen von Castorfs Nachfolger Chris Dercon, aber auch angesichts dieser eindrucksvollen, reichen, ganz und gar großartigen Dokumentation, die im Panorama läuft.

Der Film „Partisan“ von Lutz Pehnert, Matthias Ehlert und Adama Ulrich zeigt in chronologischer Sortierung, was die Ära Castorf ausgemacht hat, warum sie so revolutionär und stilprägend war. Er wählt dazu eine strenge Binnenperspektive, konzentriert sich vollständig auf das Haus und entwirft so eine ästhetische Bilanz. Wir sehen den ungeheuer jungen, schlanken Frank Castorf bei Inszenierungen wie den „Räubern“ und „Clockwork Orange“. Wir hören von Schauspielern wie Henry Hübchen, Sophie Rois, Martin Wuttke und von Regisseuren wie Herbert Fritsch, wie kompliziert, wie fordernd, wie grenzgängerisch die Zusammenarbeit mit ihm war. Und in selten gesehenem Video­material erleben wir ihn auch als schreienden Regisseur, mit dem nicht gut Kirschen essen war.

Der Zustand des andauernden Experiments gehörte ebenso zur Identität der Volksbühne wie die stolze Weigerung, sich den oft irritierten Reaktionen der Kritik zu beugen und die Volksbühne zur durchschnittlichen Abspielbude bekannter Klassiker zu machen. Stattdessen war sie die Zündkammer ungeheurer kreativer Explosionen, von denen man sich bald weit über die Grenzen Berlins hinaus erzählte.

Diesen Geist erzeugte der niemals ermüdende, in seiner künstlerischen Arbeit manische Frank Castorf – selbst die technische Abteilung des Hauses erzählt begeistert davon. Ein solcher Intendant, das muss man nüchtern feststellen, fehlt der Stadt heute.

Wiederholungen 22.2., 13 Uhr
und 25.2., 13 Uhr, CineStar 7.