Nach dem November-Bashing gegen Dieter Kosslick hat der Berlinale-Chef gern Zeitungsartikel von 2002 verteilt, als das Ausscheiden des damaligen Festivalleiters Moritz de Hadeln von der Presse wüst begleitet wurde. Das, höhnte Kosslick, könne man eins zu eins wieder drucken, nur jetzt auf seine Person bezogen. Stimmt nicht ganz: Gegen de Hadeln wird Kosslick geradezu mit Samthandschuhen angefasst.
Nun aber, 17 Jahre nach seinem Ausscheiden ist Moritz de Hadeln wieder auf dem Festival. Und stellt am Mittwoch in der Audi-Lounge eine Biografie über sich vor: „Moritz de Hadeln – Mister Filmfestival“. Und Kosslick stellt sich demonstrativ neben den Vorgänger. „Wir schreiben hier 30 Jahre Festivalgeschichte“, sagt er. Guckt dann zu de Hadeln und meint: „Du bist aber ganz schön dick geworden.“
Mister Filmfestival: ein etwas anmaßender Titel. Aber stimmt schon. Keiner hat so viele Festivals geleitet wie de Hadeln: Nyon, Locarno, Berlin, Venedig. Jetzt genießt der 77-Jährige noch mal die Aufmerksamkeit auf der Berlinale, die er 22 Jahre lang geleitet hat. Gleich sein erstes Festival 1981 führte zu einem Eklat: Wegen des US-Vietnamkriegfilms „… die durch die Hölle gehen“ verließen alle kommunistischen Ostblockländer demonstrativ das Festival. Und es brauchte viel Diplomatie, sie umzustimmen. Im Jahr 2000 durfte de Hadeln noch den Umzug an den Potsdamer Platz und die 50. Berlinale bestreiten, dann musste er im Urlaub erfahren, dass sein Vertrag nicht verlängert würde. Eine Intrige, bei der Volker Schlöndorff die Strippen gezogen haben soll. Das sind so Narben, die geblieben sind. Und das will de Hadeln, sichtlich alt geworden und nur langsam am Stock gehend, gern noch einmal los werden.
Memoiren hat er nie schreiben wollen. Aber nach jedem Festival hat er sämtliche Unterlagen in eine Box getan, das Archiv gab es noch. Als der Schweizer Journalist Christian Jungen ihn beschwor, zur Not würde er das für ihn aufschreiben, war die Idee geboren. 200 Stunden hat Jungen mit de Hadeln gesprochen, 100 weitere mit 70 Zeitzeugen und durch 15.000 Dokumente aus dem Privatarchiv hat er sich gearbeitet. Liebedienerisch ist das Buch dennoch nicht geworden. Der Autor und sein Gegenstand sind auch bei der Audi-Lounge hörbar noch immer beim Sie.
Kosslick meint, de Hadeln hätte bei seinem Abgang öfter das „Wallenstein-Zitat“ ausgesprochen, und auch er habe das zuletzt oft gedacht. Natürlich meint er nicht „Wallenstein“, sondern das „Götz von Berlichingen“-Zitat. Am Rande eröffnet Kosslick übrigens, dass er selbst durchaus Memoiren schreibe. Und die sollen sogar so bald als möglich fertig werden, eventuell schon bis zur Frankfurter Buchmesse: „Solange ich mir noch alle Namen merken kann.“ Mit dieser Ankündigung raubt er de Hadeln ein bisschen die Aufmerksamkeit.