Elke Heidenreich hält nichts davon, wenn Zeitungen einen Bericht über jemanden bringen, nur weil der einen runden Geburtstag hat. Als sie 70 wurde, hat sie mit dieser Begründung ein Interview abgelehnt. Heute wird sie 75. Will sie nicht vielleicht doch etwas sagen? Also natürlich nicht über ihren Geburtstag, nein, nein, aber vielleicht über ein neues Buch-, Musik- oder Fernsehprojekt? Oder die deutsche Literaturszene? „Herzlich und dennoch: Nein.“
Dabei ist es nun auch wieder nicht so, als würde sie nie über das Älterwerden reden. Im Gegenteil. In ihrem vorwiegend autobiografischen Erzählband „Alles kein Zufall“ (Hanser, 2016) erzählt sie von ihrer wesentlich jüngeren Freundin. Früher hat sie der oft gesagt: „Werd du erst mal 50!“ Der Satz fiel zum Beispiel, wenn die Freundin sie zum Sport animieren wollte. Als sie 60 wurde, sagte sie: „Werd du mal 60!“ und dann: „Wenn du mal 70 bist, wirst du an mich denken.“ Bis die Freundin die Sprüche leid war und einen Wutanfall bekam. Heidenreichs Konsequenz: „Jetzt sage ich nichts mehr in der Richtung, werde vergnügt 80 und sehe ihr beim 60-Werden zu.“
Elke Heidenreich ist ein Arbeiterkind aus dem Ruhrgebiet. Ihre Eltern lebten getrennt. Die Mutter hatte nicht viel Zeit, musste Geld verdienen. Sie nähte rote Samtvorhänge für Kinos und Theater. Ihr Vater war Automechaniker. Mit 15 Jahren kam sie als Pflegekind zu einer evangelischen Pfarrerfamilie nach Bonn und konnte Abitur machen. Danach studierte sie unter anderem Germanistik und arbeitete als Journalistin.
Einem breiten Publikum wurde sie Anfang der 80er-Jahre bekannt, mit der Moderation der Talkshow „Kölner Treff“, vor allem aber mit der Rolle der Metzgergattin Else Stratmann, die sie in zahlreichen Radiobeiträgen verkörperte. 1992 erschien ihre erste Erzählsammlung „Kolonien der Liebe“ und wurde zum Bestseller. Es folgten eigene Literatursendungen sowie Teilnahmen am „Literarischen Quartett“. Vor allem durch die ZDF-Sendung „Lesen!“ übte sie bis 2008 einen enormen Einfluss als Literaturkritikerin aus.
In einem Interview mit der „FAZ“ im Jahr 2007 sagte Marcel Reich-Ranicki über sie: „Die Analyse eines Romans oder eines Erzählungsbandes gehört nicht zu den starken Seiten ihrer ungewöhnlichen Begabung.“ Für ihn lag ihre Stärke hingegen in zugespitzten Stellungnahmen und eindeutigen, zuschauerfreundlichen Empfehlungen.
Zuletzt erschien von ihr die Sammlung ihrer Kolumnen für die Zeitschrift „Brigitte“ mit dem Titel „Ab morgen wird alles anders“ (Rowohlt, 2017).